Wolnzach
Über Geschmack lässt sich streiten: Was ist schöner – rote Satteldächer oder flache Würfel?

Nachverdichtung ist eine große Herausforderung, wenn es um die Frage architektonischer Identität geht

12.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:43 Uhr

Wolnzach von oben: Gut zu erkennen ist der deutliche Vorrang von Satteldächern, während der untere Bildrand Neubauten mit anderer Dachform und Photovoltaikanlagen zeigt. Foto: Karmacon

Von Karin Trouboukis

Wolnzach – Wohnraum ist knapp, Ressourcen sollen geschont und der Flächenverbrauch reduziert werden. Also das, was man hat, noch besser ausnutzen, „nachverdichten“ heißt das im Fachjargon. Ländlich geprägte Gegenden wie die Marktgemeinde Wolnzach stellt das vor besondere Herausforderungen, denn hier gibt es Baulücken und etliche aufgelassene Hofstellen in Wolnzach und den Ortsteilen – und Bauträger, die bereits mit den Hufen scharren. Was gebaut wird, das lässt sich beeinflussen, beim Wie wird das schon schwieriger.



Für manche sind sie ein Graus, ein Stich in ihr Hallertauer Herz. Die Rede ist von grauen oder gar schwarzen Dächern die, um die Klinge noch tiefer in die weiß-blaue Hopfenseele zu treiben, dann auch noch auf Mauerwürfeln im toskanischen Villenstil thronen. Wobei die dafür eigentlich typischen Fensterläden immer wieder gerne durch von schwarzen Rahmen eingesäumte Glasfronten – gerne schmal und übers Eck – mit dunkelgrauen Elektrorollos ersetzt werden.

Sofern die Häuser heutzutage überhaupt noch ein Dach haben, also ein sichtbares: Denn aus energetischer Sicht setzen viele Bauherren zunehmend auf Flachdächer, begrünt oder/und mit Photovoltaikmodulen. Beispiele gibt es auch in Wolnzach – und es werden immer mehr. In den Sitzungen von Bauausschuss oder Gemeinderat kamen diese Planungen immer wieder gut an.

Abwägen, was passt und was nicht

Passen muss es halt. Was aber wo passt, darüber scheiden sich die Geister. Aktuelles Beispiel: die Preysingstraße, die vor einem Jahr im Gemeinderat heiß diskutiert wurde. Grund: Die Preysingstraße ist geprägt von Wohn- und Geschäftshäusern mit Satteldächern und Giebeln, die in der Regel zur Straße hin ausgerichtet sind. Um diese Identität zu erhalten, hat sich Wolnzach schon vor Jahren für einen Isek-Prozess, also ein städtebauliches Entwicklungskonzept, entschieden. Hätte es so etwas schon früher gegeben, dann wäre wohl manches im historisch geprägten Zentrum nicht passiert, ein „Kranzlbräu“ mit seinem verzierten Giebel oder ein „Brandl-Haus“ als eines der ältesten Häuser im Zentrum könnten noch stehen. Vielleicht.

Zumindest sollen die beauftragten Fachplaner darauf achten, dass das, was neu gebaut wird, hierher passt. Deshalb hat Städteplanerin Barbara Hummel, wie es ihr Auftrag ist, den Zeigefinger gehoben, als es um besagte Planungen an der Preysingstraße ging, hat von „giebelseitiger Ausrichtung“ gesprochen und eine städtebauliche Beratung angeboten. Ein Instrument, das immer wieder zum Einsatz kommt, wie Bauamtsleiterin Doris Schneider erklärt: „So grob wird das Büro Hummel/Kraus etwa zehnmal pro Jahr dafür angefragt.“ Denn die Bauwerber seien ja nicht verpflichtet, diese Beratung anzunehmen. „Wenn von unserer Seite aus, das Angebot gemacht wird, dann aus einem einfachen Grund: Meist handelt es sich um sogenannte sensible oder schwierige Bauvorhaben.“ Da macht es laut Schneider durchaus Sinn, die kostenfreie Beratung in Anspruch zu nehmen. Sie sei ein sehr „mildes“ Mittel, um die Interessen des Bauwerbers und des Marktes Wolnzach auszuloten und abzustimmen.

Bisher, so die Bauamtsleiterin weiter, wurde bis auf einen Fall die Beratung angenommen, am Ende stehe immer ein Kompromiss: eben zwischen den Interessen des Bauwerbers und denen der Allgemeinheit – auf lange Sicht. Doris Schneider sagt es so: „Wir haben gegenüber dem Markt ja auch eine Verantwortung, wie wir uns städtebaulich weiterentwickeln.“ Gerade im Geschosswohnungsbau und damit bei der Innerortsverdichtung komme die Beratung oft zum Einsatz. „Wir müssen Acht geben, dass die Wohnqualität stimmt. Immer mehr Leute leben auf weniger Fläche, das heißt, dass wir darauf schauen, dass die Freiflächen passen beziehungsweise, dass überhaupt welche geplant sind und umgesetzt werden, dass Versiegelungen gering bleiben und die typische Baukultur wenigstens im Ansatz erhalten bleibt.“

Mehr reden undweniger streiten

Eine Einigung, ein Miteinander-Reden könne so den Genehmigungsprozess sogar beschleunigen – im Gegensatz zu Einzelfällen, bei denen sofort ein Anwalt eingeschaltet werde. Wohnraum schaffen, verdichten, Innerortspotenziale ausschöpfen – manchmal gehe das zu Lasten der Wohnqualität und langfristig auch zu Lasten des charakteristischen Ortsbildes. Allmächtig sei eine Kommune jedoch keineswegs, wenn es um die Einflussnahme hier geht, habe aber wohl „das ein oder andere Steuerungsinstrument“. Zum Beispiel das einer Veränderungssperre (siehe Kasten), ein Begriff, der als solcher schon negativ behaftet ist – allerdings zu Unrecht, meint Doris Schneider: „Sie sichert sie ja nur das Planungsziel einer Kommune ab.“ Und das bräuchte es aus ihrer Sicht auch nicht – wenn man sich einfach nur am Charakter eines Ortes orientiere und nicht ausschließlich größtmögliche Wertausschöpfung als Ziel habe. „Ein schwieriger Spagat“, aus Sicht der Bauamtsleiterin – nicht nur in Wolnzach. Denn immer gelte es, zwei Interessen zu verbinden: die des Investors, der schärfer denn je kalkulieren müsse, und den gewachsenen Baustil eines Ortes, der Gefahr laufe, abgedrängt zu werden.

Freilich könne man als Kommune Ortsgestaltungssatzungen erlassen, schwierig sei es, hier Rechtssicherheit zu schaffen. Die Bauamtsleiterin hätte da eine Idee, wie es einfacher gehen könnte, nämlich: „Wenn man wieder mehr aufeinander schauen würde und das Wir über das Ich stellen würde.“

WZ