Reichertshausen
Alois Kirsch: 90 Jahre und kein bisschen leise

Der Steinkirchener Senior erzählt vom Musizieren und Geschichten schreiben

23.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:56 Uhr

Mit 93 Jahren ist der Steinkirchener Alois Kirsch immer noch höchste aktiv – ob beim Geschichten schreiben oder Musizieren. Fotos: Steininger

Steinkirchen – Genau genommen ist Alois Kirsch schon 93 Jahre alt, aber was seine Vitalität anbelangt, ist er ohnehin um viele Jahre jünger. Denn dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde und Kirsch hat auch kaum Zeit, über sein Alter nachzudenken: Der Senior ist vollauf damit beschäftigt, unermüdlich seinen Hobbys nachzugehen. Und derer gibt es viele.

Aber erst mal der Reihe nach: Er heiße „Alois Kirsch, wie Zwetschge“, sagt er und guckt dabei spitzbübisch. Sein Elternhaus stand in Österreich, gebürtig aber stammt er aus dem ehemaligen Thalham in Oberbayern. Eingebürgert wurde er im Jahr 1948. Viele Jahre verbrachten er und seine Eltern in Miesbach, dort begann seine Tätigkeit mit 14 Jahren als sogenannter Postjungbote. Denn für die Zustellung zu Höfen auf dem Stadelberg waren im Winter skifahrerische Qualitäten angesagt – und die konnte er, im Gegensatz zu seinen älteren Kollegen, nachweisen. Später arbeitete er im Schalterdienst in Miesbach. Als besonders markanten Punkt seiner Tätigkeit nennt er die Währungsreform, als er viele verplombte Säcke ungültiger Reichsmark nach München schicken musste. Ein wahres Vermögen, aber eben ohne Wert. Es war auch in Miesbach, wo er Marianne Roggenhofer, eine Touristin aus Amberg in der Oberpfalz, kennen und lieben lernte und im Jahr 1970 heiratete. Seit 1975 wohnt er in Steinkirchen, seine Marianne starb im Jahr 2013. Seither sorgt er für sein Zuhause alleine. Von 1953 bis 1986 war er in München als Sozialbetreuer im Fernmeldezeugamt tätig, danach hatte er noch mehr Zeit, seine Hobbies zu pflegen.

Seine Gschichterl und seine Musik

Alois Kirsch ist in höchstem Maße extrovertiert, sei es musikalisch oder aber als Autor vieler Gschichterl aus über 90 Jahren Lebenserfahrung. Die fast 100 Anekdoten hat er teilweise selbst verlegt und in Form kleiner Büchlein gedruckt. Oder man findet sie als Kalendergeschichten und in Heimatblättern. Und alle sind lesenswert und beschreiben anschaulich, höchst lebendig und humorvoll „die gute alte Zeit“, die oft von Armut, Not und einfachsten Verhältnissen geprägt war. Insbesondere zu Kriegszeiten und kurz danach. Alois Kirsch sitzt immer noch am Computer und schreibt – seine Gedanken quellen förmlich über und kommen zu Papier, ein Ende ist nicht abzusehen.

Aber nicht weniger wichtig ist dem Senior die Musik. In seinem Büchlein „Wann i a Musi hör …“ aus dem Jahr 2022 erinnert er sich an einen sogenannten Volksempfänger, ein Radio mit drei Knöpfen und einem Loch in der Mitte, „so groß wie ein „Südtiroler Vintschgerl“, aus dem Musik kam. So ein Gerät zu haben, war im Dorf schon etwas Besonderes. Noch seltener war ein Grammophon, mit auswechselbaren Tonabnehmer-Nadeln und einem großen Schalltrichter. Vielleicht hat ihn das zur Musik inspiriert. Im Laufe seines Lebens lernte er das Spielen von in erster Linie der Zither, weiter Gitarre, Tenorhorn, Flügelhorn, Jagdhorn und sogar das Alphorn. Er gründete fernab von den Alpen das weit und breit konkurrenzlose Trio Ilmtaler Alphornbläser und war Bläser in der Parforcehorngruppe Kammerberg. Sein Fokus lag dabei immer auf der Volksmusik. Sei es in Miesbach oder später in Steinkirchen, wo es anfangs kaum eine Zither gab. Eine gewann er beim Karteln im Wirtshaus, später rief er die Steinkirchener Zithermusi ins Leben, wohl das einzige Zitherquartett im ganzen Landkreis.

Auch noch mit 93 Jahren musiziert er an der Zither

Natürlich blieb es nicht aus, dass er als Tenorhornist für 20 Jahre zu der Blasmusikkapelle De Stoakirchana stieß und auch mit der Jugendblaskapelle Reichertshausen musizierte. Oder er widmete sich mit der Zither dem Dreigesang, „mit dem Daxberger, dem Seemüller und dem Fuchs Ludwig aus Lohwinden“, denkt er gerne zurück. Er spielte auch im Quartett zusammen mit dem damals noch praktizierenden Reichertshausener Hausarzt Timm Ertl (Bass), Kindergärtnerin und Gitarristin Johanna Ebner, am Hackbrett Ludwig Spleiss von der Käserei und mit ihm selbst an der Zither. Oftmals gebucht vom früheren Gemeindechef Hans Oberhauser, „immer wann’s a Musi braucht hom, san‘s zu mir kemma“, erinnert sich Alois Kirsch.

So wirkt ein Besuch bei dem Senior wie das Eintauchen in eine Wundertüte, immer wieder fallen ihm neue Details ein. Wie von seiner Zithersammlung mit acht Instrumenten, darunter eine wertvolle Amberger Zither, die ihm eine Witwe aus dem Nachlass ihres Mannes schenkte. Einzige Bedingung: Er dürfe sie nicht etwa verkaufen, sondern sollte sie spielen oder an eine geschätzte Person weiterschenken. Und die hat jetzt „der Seemüller, der vom Gesangstrio, und der kommt mit seinen 80 Jahren jeden Donnerstag und lernt bei mir das Zitherspielen“, sagt der Meister der vielen Saiten.

Stolz ist er auch auf seine Kerzensammlung, die einen extra Kellerraum einnimmt. Darunter eine ganze Reihe an Kommunionkerzen, von denen „eine magische Kraft ausgeht“, ist Kirsch überzeugt. Überhaupt ist er kaum zu bremsen, schier endlos die Liste der Dinge und Erinnerungen, die ihm nach und nach einfallen. Dabei lebt er durchaus in der Gegenwart: Er fährt nach wie vor mit dem Auto, „aber nicht mehr in der Nacht“, ist quicklebendig und immer noch gut drauf. Und das soll er bleiben, möglichst noch viele Jahre lang.

PK