Beilngries
Einst ein wenig zimperliches Schauspiel

Die Herrgottswieskapelle und ihre historische Bedeutung − Genau 200 Jahre alte Gedenktafel aufgebessert

06.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:33 Uhr

Spannend ist die Geschichte rund um die einstigen Karfreitagsprozessionen, bei denen der Hügel, auf dem die Kapelle steht, eine wichtige Station war. Foto: C. Adam

Von Regine Adam

Beilngries – Bernd Nester geht stets mit offenen Augen durch seine Heimat und bei manchen Kleinoden, die er als langsam dem Verfall preisgegeben empfindet, kann er nicht wegsehen: Nachdem er vor wenigen Monaten die Grünersäule nahe des ehemaligen Franziskanerklosters gesäubert und wieder hergerichtet hat (wir berichteten), ist sein Blick vor Kurzem an einer Kapelle hängengeblieben, die ebenfalls ein wenig „Auffrischung“ benötigte: die Herrgottswieskapelle. Hier hat Nester die wichtige Inschrift am Giebel vorsichtig wieder lesbarer gemacht. Und das pünktlich zu einem Jubiläum des kleinen Denkmals: Auf den Tag genau vor 200 Jahren wurde im Giebel der stattlichen Kapelle die Tafel angebracht, deren Inschrift lautet: „Wohin mein lieber Wandersmann, steh still und halt ein wenig an. Betrachte mein Bluttigen Schweis. Nachdem gehe hin. Verricht dein Reis, den 6. July anno 1822.“ Damit gibt die Inschrift schon einen Hinweis darauf, was im Inneren auf weiteren Gedenktafeln in einem langen Gedicht ausführlich beschrieben ist: der Leidensweg Christi bis zum Tod.

Die Herrgottswieskapelle steht eher weniger beachtet am Herrgottswieshügel neben der viel befahrenen Kelheimer Straße. Welche historische Bedeutung die kleine Kapelle hat, welchem wertvollen Kleinod sie einst eine Heimat gab und welche Inschriften heute noch dort außen und auch innen zu lesen sind – nicht zuletzt dank der Initiative von Bernd Nester –, ist sicher nicht nur für Heimatforscher und Geschichtsinteressierte spannend.

Der Herrgottswieshügel war einst eine sehr wichtige Station in der damals weithin bekannten Beilngrieser Karfreitagsprozession, „einem kirchlichem Volksfest barocker Prägung, bei dem die ganze Stadt mitspielte“. So kann man es einem geschichtlichen Artikel im Archiv des DONAUKURIER entnehmen, der sich auf das Beilngrieser Stadtarchiv als Quelle bezieht. Das Beilngrieser Passionsspiel sei überaus beliebt gewesen und habe Besucher von weit und breit angelockt, ist zu lesen. Beginn der theatralischen Inszenierung war immer vor dem Rathaus, wo eine Bühne aufgebaut war, auf der Christus von Pilates zum Tode verurteilt wurde. Auf dem Herrgottswieshügel befand sich dann der Ölberg, hier wurde der Heiland gefangen genommen. Angehörige der Bürgerwehr in neuesten Uniformen, so wird 1793 berichtet, begleiteten mit fliegenden Fahnen unter Trommeln und Pfeifen den Zug. Christus wurde von einem Schinderknecht zu Pferd mit aufgestülpten Ärmeln an einer schweren am Boden schleifenden Kette geführt. Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament waren in die Prozession, die ein dramatisch eindrückliches Schauspiel für alle bot, eingebunden. Judas wurde von Buben in Teufels-Verkleidung geführt, die man am Ende dann zur Anbetung des Kreuzes in die Kirche schleifte. Noch im 18. Jahrhundert zogen sogenannte Geißler und öffentliche Büßer in der Prozession mit. Ein Ende fand die Prozession dann mit der Kreuzigungsszene.

Wie zu lesen ist, ging es bei dem Spektakel Jahr für Jahr ganz und gar nicht zimperlich zu in diesen Zeiten: Wegen zu derber Szenen – insbesondere der Judas-Darsteller wurde oft „im heiligen Zorn“ erbärmlich verdroschen – verbot Bischof Raymund von Strasoldo 1766 die Karfreitagsprozession. Das Verbot scheint allerdings nicht streng beachtet worden zu sein, denn 1793 musste es wiederholt werden. Erst 1822 „starb“ die Prozession, wie aus alten Unterlagen im Beilngrieser Stadtarchiv hervorgeht. Und genau in diesem Jahr kam die Gedenktafel an die Herrgottswieskapelle.

Neben der Gedenktafel an der Außenmauer und den großen Texttafeln im Innenraum barg die Herrgottswieskapelle eine wertvolle Holzfigur – die Darstellung des Erlösers an der Geißelsäule. Der Künstler ist unbekannt, sie stammt aber wohl ebenfalls aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, wie auch die Texttafeln. Der damalige Kreisheimatpfleger Max Künzel vermutete 1998, dass die rund einen Meter hohe detailreiche Holzfigur aus der Hand des Vaters von Ignaz Günther, einem in Altmannstein geborenen bekannten Bildhauer, entstand und um 1750 gefertigt wurde. Die wertvolle Figur blieb allerdings nicht in der kleinen Kapelle, sondern ist heute sicher in der Frauenkirche untergebracht. Anstelle der kostbaren Figur schmückt ein Bild mit ähnlichem Motiv mit den Texttafeln das Innere der Kapelle.

DK