Beilngries
Beilngries: Die große Gebietsreform – und dann?

Vor 50 Jahren schlug dem Landkreis Beilngries das Totenglöckchen – Ein Überblick zur Entwicklung der „neuen“ Großgemeinde

29.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:45 Uhr

Vor 50 Jahren hörte der Landkreis Beilngries auf zu existieren. Wie hat sich die Gemeinde Beilngries seither entwickelt? Unsere Zeitung geht der Frage nach. Foto: F. Rieger

Von Fabian Rieger

Beilngries – Es waren düstere Szenarien, die rund um das Jahr 1972 an die Wand gemalt wurden. Beilngries werde mit dem Verlust des Landkreissitzes viel von seiner Bedeutung einbüßen. Ob dem so war? Eine einfache „Ja-Nein-Antwort“ würde dem Ausmaß der damaligen Veränderungen sicherlich nicht gerecht. Was sich aus heutiger Sicht aber zweifellos festhalten lässt: Die Großgemeinde Beilngries steht exakt 50 Jahre, nachdem der Landkreis Beilngries aufgehört hat zu existieren, gut da. Unsere Zeitung nimmt das Gebietsreform-Jubiläum zum Anlass, um einen Blick auf die Beilngrieser Entwicklung im vergangenen halben Jahrhundert zu werfen. Wie sieht es mit den Einwohnerzahlen aus? Wie erfolgreich verlief die konzentrierte Hinwendung zum Tourismus? Und welche Bauvorhaben hatten besonders prägenden Charakter?

EINWOHNER: Es war bislang eine der größten Nachrichten des Jahres 2022 – die Großgemeinde Beilngries hat die „prestigeträchtige“ 10000-Einwohner-Marke überschritten. Ein stolzer Wert, von dem man 1972 noch weit entfernt war. Wie aus einem Artikel im Archiv unserer Zeitung hervorgeht, gehörten der Gemeinde Beilngries zum Jahresende 1972 – und damit kurz nach der Gebietsreform – laut Statistischem Landesamt exakt 6022 Bürger an. Darin waren die damals noch eigenständigen Gemeinden Biberbach (201 Einwohner), Grampersdorf (133) und Kottingwörth (417), die erst später Teil der Großgemeinde wurden, nicht mit eingerechnet. Mit Blick auf die Einwohnerzahlen lässt sich also zweifellos feststellen: Beilngries ist im vergangenen halben Jahrhundert ordentlich gewachsen.

TOURISMUS: Wie sollte man dem Verlust des Landkreissitzes und damit einhergehend sicher auch dem Verlust von Arbeitsplätzen und überregionaler Bedeutung entgegenwirken? Diese Frage stellten sich rund um das Jahr 1972 kluge und prominente Köpfe der Stadt Beilngries. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Beratungen: Man müsse das Fremdenverkehrs-Geschäft massiv ausbauen. Bereits 1971 wurde daher der Touristikverband gegründet. Und schon wenig später war in unserer Zeitung von ersten Erfolgen zu lesen. Plötzlich kamen Gäste aus Berlin, um in Beilngries den Jahreswechsel zu erleben – und um bestenfalls einen solchen Gefallen am Altmühltal zu finden, dass sie noch weitere Male eine Reise hierher antreten, so die Hoffnung, die Beilngrieser in damaligen Zeitungsartikeln zum Ausdruck brachten. Und die Zahlen? Die waren anfangs „winzig klein“ – aber später ausgesprochen groß. So manche statistische Ungenauigkeit dürfte wohl enthalten sein, die Dimensionen lassen sich anhand früherer DK-Artikel aber doch ganz gut ablesen. So wurden für das Jahr 1972 insgesamt 28000 Gästeübernachtungen vermeldet, für 1973 dann bereits ein „sprunghafter Anstieg“ auf 38000. Auf Rekordjahre folgten neue Rekordjahre, in den 1980ern lag man bereits deutlich über 150000 Übernachtungen – und in den 1990ern ging der Blick gar Richtung 250000. Im Jahr 2018 wurde schließlich beinahe die 280000er-Marke geknackt, ehe nach einem durchwachseneren 2019 schließlich Corona kam – und den Zahlen jegliche Vergleichs-Aussage abhanden kam. Klammert man diese Pandemie-Jahre aber aus, so steht für die Zeit seit der Gebietsreform eine Verzehnfachung der jährlichen Übernachtungszahlen – und damit ein ganz maßgeblicher Beitrag zu einer florierenden Wirtschaft und Gesellschaft, wie von (politischen) Verantwortungsträgern regelmäßig betont wird.

KANALBAU: Ob der Bau des Main-Donau-Kanals nun Fluch oder Segen für Beilngries war? Darüber ließe sich abendfüllend diskutieren. Und dieser Frage wird heuer bei Gelegenheit auch noch nachzugehen sein, schließlich feiert der Kanal ebenfalls Geburtstag – die Verkehrsfreigabe jährt sich zum 30. Mal. Ganz gleich, wie man zu der Wasserstraße stehen mag, so bleibt zumindest festzuhalten: Ihre Errichtung war das für die Region prägendste Bauwerk der vergangenen 50 Jahre.

GYMNASIUM: Deutlich einhelliger dürfte die Meinung zu einem anderen Bauvorhaben sein, das in dem halben Jahrhundert seit der Gebietsreform umgesetzt wurde. Die Errichtung des Gymnasiums hat Beilngries in seiner Entwicklung enorm vorangebracht, das würde wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten. Einfach war der Weg dorthin aber beileibe nicht. Ausgehend von der Bürgerschaft, allem voran der engagierte Initiativkreis, wurden zunächst bestehende politische Hürden aus dem Weg geräumt. Und so gibt es nun – noch ein Jubiläum – seit 20 Jahren ein Gymnasium in der Altmühlstadt. Eine Errungenschaft, die beim Blick auf die bewegten 50 Jahre, die Beilngries seit dem Vollzug der Gebietsreform zum 1. Juli 1972 erlebt hat, definitiv nicht fehlen darf.

BEWEGTE GESCHICHTE BEREITS VOR DER GEBIETSREFORM

An diesem Freitag gehört die ehemalige Kreisstadt Beilngries auf den Tag genau 50 Jahre zum Landkreis Eichstätt. Mit der am 1. Juli 1972 vollzogenen Gebietsreform erfolgte die Auflösung des Landkreises Beilngries. Wie ein Blick ins Archiv unserer Zeitung zeigt, ging damit die sehr bewegte Geschichte einer Verwaltungseinheit zu Ende, die seit ihrer Gründung mehrmals die Bezirkszugehörigkeit wechselte und zudem unterschiedlich groß war.

Dass es in Bayern überhaupt Landratsämter gab, ist auf ein 1861 erlassenes Gesetz über die Gerichtsverfassung – es trat im Wesentlichen erst am 1. Juli 1862 in Kraft – zurückzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sogenannte Landgerichte quasi Landratsamt und Amtsgericht in einem. Ab 1862 erfolgte dann die Trennung von Justiz und Verwaltung auf unterster Stufe. Es gab also erstmals reine Verwaltungsbehörden, die zunächst als Bezirksämter bezeichnet wurden. Etliche Jahre später wurden die Bezirksämter in Landratsämter umbenannt.

Eine Besonderheit war der wiederholte Wechsel des Landkreises Beilngries von einem Regierungsbezirk zum anderen. Die Regierungsbezirke waren bereits 1808 eingeführt worden. Sie hießen zunächst Kreise. Davon gab es in Bayern ursprünglich 15. Das Landgericht Beilngries gehörte zum Altmühlkreis, dessen Regierungssitz war Eichstätt. Bereits zwei Jahre später wurde die Zahl der Kreise auf neun verringert. Beilngries kam zum sogenannten Oberdonaukreis. Der Regierungssitz war abermals Eichstätt. Im Jahr 1817 erfolgte eine erneute Reduzierung der Zahl der Kreise. Die Altmühlstadt war nun dem Regenkreis mit Regierungssitz Regensburg angegliedert. 1837 wurden für die bayerischen Regierungsbezirke die heute noch gültigen Bezeichnungen eingeführt. Damit einher ging die Umgliederung des Landkreises Beilngries nach Mittelfranken. Sie dauerte bis 1879. Mit Beginn des Jahres 1880 gehörte der Landkreis Beilngries dann wieder zur Oberpfalz.

Die Zahl der Bewohner belief sich damals auf insgesamt gut 29000. Ab dem Jahr 1909 zählte der Landkreis Beilngries aber dann nur noch rund 14800 Personen. Der Grund war die Bildung des neuen Landkreises Riedenburg. Die politisch Verantwortlichen aus der Dreiburgenstadt bewirkten diese Abspaltung mit dem Argument, der Bezirksamtssitz Beilngries sei für sie schwer zu erreichen. Luitpold, Prinz von Bayern, ließ sich offensichtlich überzeugen. Und so musste das Bezirksamt Beilngries vor 113 Jahren genau das Gebiet abgeben, das zum Amtsgerichtsbezirk Riedenburg gehörte. 63 Jahre später waren dann sowohl der Landkreis Beilngries als auch der Landkreis Riedenburg Geschichte.

nur