Eichstätt
40 Jahre Diözesanmuseum: Seine Architektur und Ausstattung

Ein Aufsehen erregendes Gesamtkunstwerk mit erstaunlichen Details

10.10.2022 | Stand 10.10.2022, 12:34 Uhr

Objekte zur Kindheitsgeschichte Jesu sind in einem der Räume des Diözesanmuseums ausgestellt. Foto: Grund

Eichstätt – Nach langer Wanderschaft seit 1901 fand das Domschatz- und Diözesanmuseum ab 1982 in seinen neuen Räumen im Domkreuzgang eine hoffentlich endgültige Heimat. In der aktuellen Folge unserer Jubiläumsreihe beleuchtet Museumsleiterin Claudia Grund die Architektur.



Denn für das Museum wurde der Gebäudekomplex 1976 bis 1982 durch das Diözesanbauamt unter Leitung von Diözesanbaudirektor Karljosef Schattner aufwendig saniert, ausgebaut und ausgestaltet. Mit seinem stimmigen und respektvollen Dialog zwischen historischen und modernen Architekturelementen, einer bis ins Detail durchgestalteten Ausstattung und seinen hochwertigen Materialien vertritt das Museum mustergültig die weithin bekannte Architektursprache Schattners. Dabei reagiert die Gestaltung jeweils auf die räumlichen Gegebenheiten, so dass jeder Museumsraum einen ganz eigenen Charakter und eine spezielle Atmosphäre entfaltet. Das inzwischen denkmalgeschützte Diözesanmuseum erhielt mehrfache Auszeichnungen und gilt heute als ein Klassiker der modernen Architektur.

Der für das Museum gewählte Baukomplex bot sich nicht zuletzt aufgrund seiner räumlichen wie inhaltlichen Nähe zum Dom als sakralem Zentrum Eichstätts sowie seiner städtebaulich zentralen Lage an. Es handelt sich um mehrere Gebäudeteile, die zu einer Einheit verschmolzen sind. Den Südflügel bildet der ehemalige, im 18. Jahrhundert erbaute Zehentspeicher des Domkapitels. Im rechten Winkel dazu bis zum Dom verlaufend, schließt westlich das spätgotische Mortuarium an, über dem sich die barock ausgestatteten ehemaligen Amtsräume sowie der Versammlungssaal des Domkapitels im sogenannten Kapitelshaus befinden.

Spätgotisches Steingewände

Vom Mortuarium aus öffnet sich der Museumseingang in Form eines imposanten spätgotischen Steingewändes mit zweiflügeliger neugotischer Holztür. Das anschließende, in sachlich zeitloser Sprache gestaltete Treppenhaus erschließt den Aufgang zu den Ausstellungsräumen im Obergeschoss und ist selbst schon Teil der Ausstellung, indem erste Exponate den Weg des Besuchers begleiten. Ja sogar die auf Stahlbetonträgern lagernde Treppe scheint zum eigenständigen Objekt zu werden, indem sie an drei Seiten in schwebende Distanz zum Mauerwerk tritt.

Im dritten Obergeschoss leitet eine aufgeschlagene Tür, deren rein dekorativer Verschlussmechanismus auf die Kostbarkeit der Museumsexponate verweisen soll, in den ersten Hauptraum des Museums im Dachgeschoss des Getreidespeichers. Er besticht insbesondere durch die Wirkung des in Stahl ausgeführten neuen Dachtragwerks, welches in Material und Architektursprache spannungsreich den historischen Dachstuhl unterfängt. Darüber hinaus ist der Raum geprägt durch die geschlämmten Bruchsteinwände, das Granitbodenpflaster, die als Raumteiler fungierenden Ausstellungswände sowie die Hoch- wie Tischvitrinen. Im insgesamt gedämpft beleuchteten Raum dominiert dann die punktuelle Ausleuchtung der einzelnen Objekte.

Kapitelsaal als Höhepunkt

Die rückwärtigen Museumsräume über dem Mortuarium besitzen noch ihre schlichte barocke Ausstattung mit dem repräsentativen Kapitelsaal als Höhepunkt. Auf den insgesamt vornehmeren Charakter reagiert auch die Neuausstattung mit einem hochwertigen Juramarmorboden und filigraner Ausstellungsarchitektur. Dabei wird die originale axiale Aufeinanderfolge der Haupträume nicht nur durch die Bänder im Bodenbelag, sondern auch durch Beleuchtung und Platzierung der Kunstwerke betont und sogar inszeniert. Hier im rückwärtigen Teil befindet sich auch der Höhepunkt des Museums: die in geheimnisvollem Schwarz gehaltene und durch eine Tresortüre verschlossene Schatzkammer.

Der umfassende Gestaltungswille Schattners und seines Teams zeigt sich nicht nur in der hochwertigen und durchdachten Raumarchitektur, sondern auch in der ebenso stringenten wie variationsreichen Gestaltung der Ausstellungsarchitektur, wie etwa bei den eigens entworfenen Vitrinen, Objektträgern und Wandhalterungen. In den Räumen mit ihrer Einrichtung kontrastieren regionale Materialien und artifiziellen Produkte wie Stahl oder die damals entwickelte Gipsspachteltechnik des „Stucco Lustro“ – und verschmelzen letztendlich wieder zu einer großen gestalterischen Einheit. Und doch ist dieses architektonische Gesamtkunstwerk wiederum nur der Rahmen für die in ihm präsentierten Kunstwerke, die maßvoll ausgewählt und wirkungsvoll inszeniert wurden. So sollen es zuletzt die Kunstwerke des Museums, aber auch dessen Ausstellungs- und Publikationstätigkeit sein, die Thema des letzten Beitrags der Serie sein werden.

Claudia Grund