Regeln für Künstliche Intelligenz
EU nimmt ChatGPT an die Leine: Fragen und Antworten zum neuen KI-Gesetz

13.03.2024 | Stand 13.03.2024, 15:49 Uhr

Das Europaparlament besiegelte das KI-Gesetz am Mittwoch mit großer Mehrheit. In Brüssel gelten die Vorgaben als „historisch“, Wirtschaftsverbände befürchten jedoch Einschränkungen für Startups. − Symbolbild: Christin Klose/dpa

Wo darf Künstliche Intelligenz eingesetzt werden? Was gilt für die Gesichtserkennung? Und wie wird die Qualität der Systeme gewährleistet. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum neuen KI-Gesetz der Europäischen Union.



Ob in der Videoüberwachung, Spracherkennung oder bei der Auswertung von Finanzdaten: Für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gibt sich die Europäische Union einheitliche Regeln. Das Europaparlament besiegelte das KI-Gesetz am Mittwoch mit großer Mehrheit. In Brüssel gelten die Vorgaben als „historisch“, Wirtschaftsverbände befürchten jedoch Einschränkungen für Startups.

Wo wird der Einsatz von KI verboten?



Verboten sind künftig KI-Systeme, die Menschen nach Kriterien wie ihren politischen und religiösen Ansichten, ihrer sexuellen Orientierung oder der Hautfarbe in Gruppen einteilen. Außerdem werden in China bereits übliche sogenannte Sozialkredit-Systeme verboten, die auf das Verhalten oder persönliche Eigenschaften abzielen.

Unternehmen dürfen KI nicht einsetzen, um die Gefühle ihrer Beschäftigten zu erfassen. Die Technologie darf zudem nicht genutzt werden, um Menschen gegen ihren Willen zu beeinflussen. Betroffene dürfen durch die Nutzung zudem nicht etwa wegen ihres Alters, einer Behinderung oder ihrer finanziellen Situation benachteiligt werden.

Was gilt für Gesichtserkennungs-Technologien?



Die Polizei und andere Sicherheitsbehörden dürfen die KI-gesteuerte Gesichtserkennung an öffentlichen Orten nur dann nutzen, wenn eine richterliche Anordnung vorliegt. Solche Systeme wurden in Deutschland bereits getestet, etwa am Berliner Bahnhof Südkreuz.

Bei aufgezeichnetem Videomaterial darf die Technologie für die Fahndung nach Verurteilten oder Verdächtigten schwerer Straftaten verwendet werden. Verfolgen die Beamten das Videomaterial in Echtzeit, sind KI-Systeme auch für die Suche nach Opfern von Menschenhandel und sexueller Gewalt erlaubt. Außerdem dürfen sie die Gesichtserkennung nutzen, um „eine konkrete und akute Terrorgefahr“ abzuwenden.

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Welche Anwendungen gelten als „hohes Risiko“?



Für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Sicherheitsbehörden stellt das Gesetz grundsätzlich ein „hohes Risiko“ für Menschenrechtsverletzungen fest. Das gleiche gilt für Anwendungen bei kritischer Infrastruktur und in der Personalverwaltung. Zu den sogenannten Hochrisiko-Anwendungen gehören zudem Systeme, die Wahlen beeinflussen können.

In diesen Fällen soll deshalb in letzter Instanz ein Mensch die Kontrolle über die Entscheidungen der KI haben. Zudem schreibt das Gesetz eine technische Dokumentation und ein System zum Risikomanagement vor. Betroffene sollen bei den Behörden Beschwerde gegen die Nutzung von KI einreichen können.

Wie wird die Qualität der Systeme sichergestellt?



Entwicklerinnen und Entwickler müssen künftig klar kennzeichnen, wenn Texte, Bilder oder Videos auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Das gilt auch für Beiträge in Online-Plattformen wie Facebook, Instagram oder X. In der Praxis ist das Fachleuten zufolge jedoch schwierig zu überprüfen.

Neue Systeme sollen mit ausgewogenen Datensätzen entwickelt und trainiert werden. Die Behörden sollen KI-Startups deshalb Zugang zu realen Testbedingungen ermöglichen, bevor eine Anwendung auf den Markt kommt. Das Gesetz soll zudem dafür sorgen, dass dabei keine Urheberrechte verletzt werden.

Was befürchtet die Industrie?



Industrieverbände befürchten, dass die neuen Regeln für zu hohe Hürden bei der Entwicklung neuer KI-Anwendungen sorgen. Europäische Unternehmen könnten dadurch Nachteile im Wettbewerb mit der Konkurrenz aus den USA und aus China haben, warnte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie.

Deutschland und Frankreich verhinderten nach eigenen Angaben noch in letzter Minute Nachteile für Startups wie Aleph Alpha in Heidelberg und Mistral AI in Paris.

Welche Strafen drohen den Unternehmen?



Bei Verstößen gegen das KI-Gesetz drohen Strafen in Millionenhöhe. Für den Einsatz einer verbotenen Technologie kann die EU-Kommission Zahlungen von bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens verlangen. Wer gegen andere Bestimmungen des Gesetzes verstößt, muss mit Strafen in Höhe von bis zu 15 Millionen Euro oder drei Prozent des Jahresumsatzes rechnen.

Wann greift das Gesetz?



Ab dem Frühjahr 2026. Bis dahin setzt die Kommission auf freiwillige Absprachen mit den Unternehmen. Kritiker befürchten, dass die EU-Vorgaben in zwei Jahren wieder veraltet sein könnten.