Wurde der Täter polizeilich gesucht?
14 Tote und 25 Verletzte nach Schüssen an Prager Karls-Universität

21.12.2023 | Stand 22.12.2023, 7:39 Uhr

Ein Polizist steht am Ufer der Moldau im Zentrum. An einer Hochschule in der Prager Innenstadt sollen Schüsse gefallen sein. − Foto: Petr David Josek, dpa

Großeinsatz in der Prager Innenstadt: Kurz vor Weihnachten fallen Schüsse an der renommierten Karls-Universität. 14 Menschen sterben im Kugelhagel, 25 werden verletzt. Auch der Schütze ist tot.



Ein Schütze hat an einer Universität in der Prager Innenstadt das Feuer eröffnet und 14 Menschen getötet. Das sagte der tschechische Polizeipräsident Martin Vondrasek am späten Donnerstagabend auf einem im Fernsehen übertragenen Briefing. Zuvor hatte er von 15 Toten gesprochen. Auch der Schütze sei tot, teilte Vondrasek am Donnerstag mit. Offizielle Informationen zu den Umständen seines Todes und einem möglichen Motiv gab es zunächst nicht. Man gehe davon aus, dass es sich um einen Studenten der Hochschule handele, der kurz zuvor seinen Vater ermordet habe und deswegen gesucht worden sei. Der mutmaßliche Täter habe sich wahrscheinlich von Amokläufen im Ausland inspirieren lassen.

Den Rettungsdiensten zufolge wurden am Donnerstag 25 Menschen verletzt, davon 10 schwer bis lebensgefährlich. Der tschechische Innenminister Vit Rakusan sagte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT, es gebe keine Hinweise auf einen zweiten Täter oder auf einen terroristischen Hintergrund. Es habe sich um einen einsamen Schützen gehandelt, sagte Regierungschef Petr Fiala. Es dürfte der schlimmste Schusswaffenangriff in der Geschichte der seit 1993 unabhängigen Tschechischen Republik gewesen sein.

Nur wenige Hundert Meter von der Karlsbrücke



Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich tief bestürzt über die schrecklichen Nachrichten aus Prag. „Unsere Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer, unser Mitgefühl gilt unseren tschechischen Freundinnen und Freunden“, schrieb der SPD-Politiker beim Kurznachrichtendienst X. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte die sinnlose Gewalt. Ähnlich äußerten sich die Präsidenten Frankreichs, der Slowakei, der Ukraine und Israels sowie zahlreiche weitere Spitzenpolitiker.

Zu den Schüssen kam es an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität am Jan-Palach-Platz. Innerhalb kurzer Zeit traf ein Großaufgebot der Polizei ein, darunter Spezialkräfte. Der Jan-Palach-Platz ist nur wenige Hundert Meter von der bekannten Karlsbrücke entfernt, dem Wahrzeichen der Stadt an der Moldau.

Anwohner sollten nicht aus dem Haus gehen



Die Polizei rief die Menschen auf, die Gegend weiträumig zu meiden und sperrte den Platz ab. Anwohner sollten nicht aus dem Haus gehen. Auf Fotos war zu sehen, wie Studenten das Universitätsgebäude mit erhobenen Armen verließen. Nach einem Bericht des Fernsehsenders Nova soll sich der Schütze zuletzt auf dem Dach des Fakultätsgebäudes aufgehalten haben. Auch eine Explosion sei demnach zu hören gewesen.

Studenten und Mitarbeiter der Universität teilten in den sozialen Medien mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Andere kletterten aus dem Fenster und stellten sich auf den Dachsims, um sich vor dem Schützen zu verbergen. Die Studenten und Hochschulmitarbeiter wurden bis zum frühen Abend aus dem Gebäude gebracht. Der Rettungsdienst schickte Rettungswagen, Notärzte und einen Großraumrettungswagen zum Einsatzort.

Präsident bricht Frankreich-Besuch ab



Die Karls-Universität wurde 1348 gegründet und zählt damit zu den ältesten europäischen Universitäten. Sie hat rund 49.500 Studentinnen und Studenten. Davon studieren rund 8000 an der Philosophischen Fakultät Fächer wie Germanistik, Slawistik, Geschichtswissenschaft.

Der tschechische Präsident Petr Pavel sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. Er dankte den Bürgern beim Kurznachrichtendienst X am Donnerstag dafür, dass sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte gefolgt seien. Wie das Büro des Staatsoberhaupts mitteilte, brach Pavel seinen derzeitigen Frankreich-Besuch ab, um vorzeitig nach Tschechien zurückzukehren.

Ministerpräsident Fiala brach einen Arbeitsbesuch in Mähren ab. „Aufgrund der tragischen Ereignisse habe ich mein Arbeitsprogramm in Olomouc abgesagt und werde nach Prag zurückkehren“, teilte der liberalkonservative Politiker mit. Am späten Abend sollte das Kabinett zu einer Krisensitzung zusammenkommen.

Oberbürgermeister ist schockiert



Der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigte sich schockiert. „Das ist eine Tragödie“, sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. „Das Schlimmste daran ist, dass diese Dinge nicht zu verhindern sind.“ Viele dächten, so etwas könne nur in den USA passieren, weil viele dort bewaffnet seien. Es zeige sich, dass dem nicht so sei.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, die Nachricht über die tödlichen Schüsse habe ihn zutiefst erschüttert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte ebenfalls bei X: „All unsere Solidarität und unser Mitgefühl gilt unseren tschechischen Nachbarn und Freunden in dieser schweren Stunde.“ Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte: „Ich bin erschüttert und in Gedanken bei unseren Nachbarn, bei den Opfern und ihren Angehörigen.“

− dpa