Pfaffenhofen
"Auch für mich gibt es kein Pardon"

Sébastien Loeb, Hang zum Risiko und das Scheyerer Holz: Rallyepilot Daniel Kühn im Interview

28.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:45 Uhr

Er fährt - sie sagt, wo es lang geht: Rallyepilot Daniel Kühn und seine Beifahrerin Karina Petrusch starten gemeinsam. - Foto: Janek Neubert

Pfaffenhofen (PK) Ein verheerender Unfall stoppte den Pfaffenhofener Rallyepiloten Daniel Kühn im September 2016. Jetzt spricht er im Entweder-oder-Interview über sein Comeback - am Wochenende bestreitet er die ADAC-Saarland-Pfalz-Rallye im Rahmen des ADAC-Rallye-Masters.

n Leistung oder Beschleunigung? Rallyeautos sind auf Beschleunigung getrimmt - rasch Tempo aufnehmen zu können, ist allein schon deshalb das A und O, weil kaum lange Geraden zu fahren sind. Die Gänge sind sehr kurz übersetzt - also schalte ich sehr zügig. Unter der Motorhaube meines Renault Clio RS verbirgt sich ein 2000 ccm-Aggregat, das mit 220 PS befeuert wird. Sehr wichtig ist für mich die Zusammenarbeit mit Christian Allkofer - er kitzelt letzte Leistungsreserven und hilft mir bei der Abstimmung.

 

n Walter Röhrl oder Sébastien Loeb? Als Bayer darf ich es eigentlich gar nicht sagen, aber ich will ehrlich sein: Am allermeisten bewundere ich Sébastien Loeb. Neun Weltmeistertitel sprechen eine deutliche Sprache - er muss der perfekte Rallyepilot gewesen sein. Auch Walter Röhrl war natürlich ein genialer Autofahrer und gewissermaßen ein Held seiner Zeit. Dass es sich um zwei absolute Ausnahmeerscheinungen handelt, daran besteht kein Zweifel.

 

n Meisterschaft oder Tagessiege? Da muss ich nicht lange überlegen: die Gesamtwertung geht über alles. Ein Tagessieg ist sicher eine tolle Geschichte, viel wichtiger ist es aber, über eine gesamte Saison durchzuhalten und konstant Meisterschaftspunkte zu sammeln. Innerhalb meiner Division hätte ich nichts dagegen, in der Endabrechnung unter die Top Drei zu kommen. Sicher wird das nicht gerade einfach, da ich ja ein Jahr Pause hinter mir habe. Ich kenne jedoch meine Gegner und halte das für ein realistisches Ziel.

 

n Risiko oder Vorsicht? Ich sage ganz klar: Wer im Rennsport das Risiko scheut, kann es gleich bleiben lassen, denn der alte Spruch wird ewig gelten: ,Hast du Angst, dann bist du langsam.'Auch für mich, der ich ja vor zwei Jahren einen schlimmen Unfall hatte, gibt es kein Pardon. Wobei ich den einzigen Automobilsport ausübe, in dem man zu zweit in Fahrzeug sitzt - so besteht eine Verantwortung nicht nur sich selbst gegenüber. Für mich gilt das im besonderen Maße: Meine Beifahrerin Karina Petrusch ist Mutter zweier Kinder.

 

n Profi oder Idealist? Um Profi zu werden, bin ich leider schon zu alt, so werde ich immer ein Idealist sein. Für mich persönlich gibt es keine halben Sachen, denn alles was ich mache, geschieht mit 120 Prozent Hingabe - fest steht aber auch: Ohne die Unterstützung von Sponsoren hätte ich keine Chance, Motorsport auf diesem Level auszuüben. Einige starke Partner habe ich bereits an meiner Seite. Dennoch würde ich mich über jede weitere Förderung freuen: Auf meinem Auto gibt es noch viele freie Flächen, auf denen man werben könnte.

n Asphalt oder Schotter? Grundsätzlich gilt: Ein guter Rallyefahrer muss auf jedem Untergrund schnell fahren können. Wenn ich es mir aber aussuchen könnte, dann würde ich auf alle Fälle eine geteerte Strecke wählen - allein schon deshalb, weil ich früher Rundstreckenrennen gefahren bin. In der Szene gibt es natürlich für jeden Belag Spezialisten, wobei der größte Teil der Wertungsprüfungen auf Asphalt ausgetragen wird. Mein Renault mit Frontantrieb ist jedenfalls ist für einen festen Untergrund modifiziert.

 

n Lenkrad oder Gebetbuch? Wenn man wie ich Benzin im Blut hat, dann will man natürlich Gas geben - sprich: selbst hinter dem Steuer sitzen! Dennoch habe ich mich im letzten Jahr bei manchen Veranstaltungen als Co-Pilot betätigt. Das waren absolut lehrreiche Erfahrungen - schließlich ist der Rallyesport ein unvergleichbarer Teamsport: Der Fahrer muss sich bedingungslos auf seinen Partner verlassen können - wer bei Tempo 130 nicht weiß, wie es nach der nächsten Kurve weitergeht, kann nicht erfolgreich sein. Dass heuer Karina Petrusch neben mir sitzen wird, sehe ich als Glücksfall: Sie beherrscht ihren Job, mir die Streckendetails sekundengenau aus dem Aufschrieb "vorzubeten".

 

n Konkurrenzkampf oder Kameradschaft? Da muss ich mich wohl oder übel umstellen: Bei meinen bisherigen Einsätzen in der Südbayerischen Meisterschaft war die Hilfsbereitschaft unter den Teilnehmern überragend. Ich gehe jedoch davon aus, dass das beim ADAC-Rallye-Masters völlig anders sein wird. Schon in der Vorbereitungsphase habe ich gemerkt, dass viel taktiert wurde und kaum ein Konkurrent etwas preisgab. Hilfe von meinen Gegnern erwarte ich also von nun an keine mehr.

 

n Sport oder Wellness? Selbstverständlich Sport - körperliches Training ist für jeden Rennfahrer Pflicht. Je fitter man ist, desto stärker ist man auch mental. Wenn man körperlich abbaut, lässt automatisch die Konzentration nach - gerade dann passieren die entscheidenden Fehler. Ich selbst trainiere sehr viel mit meinem Mountainbike - auf den Feldwegen im Pfaffenhofener Umland, besonders im Scheyerer Holz, kenne ich sozusagen jeden kleinen Stein.

 

n Fahrerisches Können oder Technik? Ohne technischen Sachverstand würde mir mein fahrerisches Können gar nichts nützen - jeder Rallyefahrer muss nämlich die Funktionsweise seines Autos bis ins Detail kennen. Hier kommt auch eine Besonderheit unseres Sports ins Spiel: Sollte auf der Strecke ein Schaden entstehen, sind Pilot und Co-Pilot auf sich allein gestellt. Einige Werkzeuge sind also immer an Bord, um den Renner notdürftig verarzten zu können. Im Rallyezentrum unterstützen mich natürlich mehrere Mechaniker, zu denen während der Wertungsprüfung und auf der Rückfahrt Funkkontakt besteht.