Raitenbuch
Knochenjob und Geldregen

Für die DJK Raitenbuch zahlt sich die Jugendarbeit finanziell aus – für die Kammerbauer-Zwillinge zunächst nur sportlich

21.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

 

Raitenbuch (EK) Manchmal zahlt sich Nachwuchsarbeit eben doch aus. Die DJK Raitenbuch jedenfalls erhielt jetzt einen warmen Geldregen vom Deutschen Fußballbund (DFB). Aus dem Topf für leistungsorientierte Nachwuchsförderung bekam die DJK 4400 Euro Ausbildungsentschädigung.

Immerhin stammen die beiden DFB-Fußball-Juniorennationalspieler David und Patrick Kammerbauer aus Raitenbuch. Von 2003 bis 2007 spielten die Beiden bei der DJK. Der Scheck wurde im Beisein von DFB-Vizepräsident Rainer Koch übergeben.

„Die Nachwuchs-Nationalmannschaften profitieren von der hervorragenden Arbeit, die die vielen kleinen Vereine an der Basis Tag für Tag leisten. Ohne dieses Engagement wären die Titel in der Vergangenheit nicht möglich gewesen. Und diese Leistung soll auch entsprechend belohnt werden“, sagte BFV-Vizepräsident Reinhold Baier bei der Übergabe des Schecks an den DJK-Vorstand Jakob Meierle. Nach einem Buffet waren alle ausgezeichneten Vereine gemeinsam mit den Spielern zum EM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Gibraltar eingeladen. Auf der Tribüne verfolgten sie im Grundig-Stadion den 4:0-Sieg der Löw-Elf.

Nicht mehr nur von oben zuschauen, sondern dort unten auf dem Rasen aktiv sein wollen in naher Zukunft auch Patrick und David Kammerbauer – und dort ihr Geld verdienen. Beide haben seit 2007 sämtliche Juniorenmannschaften des 1. FC Nürnberg durchlaufen und sich zu Nationalspielern entwickelt.

Aktuell gehören die sympathischen Gymnasiasten zwar nicht zum U 18-DFB-Kader, für sie ist das aber kein Beinbruch. Patrick, der für das Vier-Länderturnier in der Türkei auf Abruf bereitstand, sagt: „Bis jetzt war erst ein Sichtungslehrgang, vier weitere folgen noch. Und am Ende setzen sich die Besten durch.“ Dass er irgendwann wieder den Adler auf der Brust tragen wird, davon ist er fest überzeugt.

Derzeit nur zweite Wahl

Zwillingsbruder David verschwendet dagegen derzeit keine Gedanken an die Nationalmannschaft, er ist beim „Club“ unter Trainer Pellegrino Matarazzo im U 19-Team nur zweite Wahl. In der Vorsaison war er noch unangetasteter Stammspieler und wurde bei 24 Einsätzen nur einmal ausgewechselt. In der laufenden Spielzeit hatte er lediglich 70 Minuten Einsatzzeit; zwischen drei und 24 Minuten durfte er ran. „Die Situation ist natürlich unbefriedigend. Aber ich gebe nicht auf und versuche, mich mit guten Trainingsleistungen anzubieten. Man darf auch nicht vergessen, dass ich noch ein jüngerer Jahrgang bin“, sagt der 1,71 Meter große linke Verteidiger und ergänzt: „Es macht natürlich derzeit wenig Sinn, an die Nationalmannschaft zu denken, wenn man nicht einmal beim Verein spielt.“

Mit der Nationalmannschaft hat David sein bisheriges Karrierehighlight erlebt. Im Juni 2013 spielte er mit der U 16 im Berliner Olympiastadion vor 20 000 Zuschauern gegen Frankreich. Insgesamt lief er zwölfmal für Deutschland auf. Patrick durfte sich das weiße Trikot mit den mittlerweile vier Sternen schon 19 Mal überstreifen.

Die Teilnahme bei der U 17-EM auf Malta war sein persönlicher sportlicher Höhepunkt. Abgesehen vom zweiwöchigen Trainingslager in Spanien mit den besten Nachwuchsfußballern des Landes sowie einem Freundschaftsspiel gegen den FC Barcelona.

Doch die unvergesslichen Erlebnisse kommen nicht von ungefähr. Die Zwillinge schuften hart für ihren Traum vom Profifußball. 2007 wechselten sie von der DJK Raitenbuch nach Nürnberg. Vater Hugo und Mutter Irmgard, die mehr Motivator als Kritiker sind, chauffierten die beiden Tag für Tag an den Valznerweiher.

Im Leistungszentrum

Seit zwei Jahren können es die Eltern etwas entspannter angehen, da ihre Sprösslinge einen Platz im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) bekommen haben. Dort wohnen sie mit acht weiteren Fußballern in einer Art WG. Jeder hat ein eigenes Zimmer, zu zweit teilt man sich das Bad. Den Gemeinschaftsraum und eine Küche nutzen alle Bewohner gleichermaßen. Für das Waschen, Staubsaugen, Putzen und Abendessen kochen ist wiederum jeder für sich verantwortlich. „Wenn einem das Mal gezeigt wurde, dann kann man das“, sagt Patrick selbstsicher. Auf dem Speiseplan stehen aber meistens schnelle und einfache Gerichte: Viel Gemüse, Nudeln oder Reis. Typische Sportlernahrung halt.

Mit so einer beginnt auch der Tag, nachdem der Wecker um 6.30 Uhr klingelt. Noch bevor es in die Schule geht, steht außerdem die erste Trainingseinheit auf dem Programm. David und Patrick machen im Kraftraum Individualtraining. Mit dem Fahrrad düsen beide dann ins Bertolt-Brecht-Gymnasium. Die Schule beginnt für sie erst um 9.45 Uhr und endet schon um 13 Uhr. Eine Bevorzugung gegenüber den Mitschülern, die früher anfangen und auch nachmittags Unterricht haben, sehen die beiden nur bedingt: „Es kann schon sein, dass uns mehr geholfen wird, weil wir öfters mal fehlen und den Stoff nicht so mitbekommen. Aber uns wird nichts geschenkt.“

Noch schnell wird in der Schule das Mittagessen eingenommen und zurück geht es ins Internat. „Dann esse ich nochmal“, sagt David lachend. Patrick dagegen gibt zu: „Wir legen uns meistens auf die faule Haut und relaxen.“ Keine Hausaufgaben? „Die sind in der Oberstufe keine Pflicht mehr“, sagen die beiden und grinsen über das ganze Gesicht. Solange die Noten passen, ist das in Ordnung, denn die schulischen Leistungen werden auch vom Verein überprüft. Entweder es verschlägt die positiv Fußballverrückten dann nochmals in den Kraftraum oder sie warten bis 18 Uhr auf den Trainingsbeginn.

Fünfmal in der Woche bittet U 19-Coach Matarazzo zu den Übungseinheiten, die zwischen eineinhalb und zwei Stunden dauern. Am Samstag oder Sonntag wird in der U 19-Bundesliga gekickt. Gegner sind unter anderem der FC Bayern München, die TSG Hoffenheim oder der FC Augsburg. Bei Auswärtsspielen in Freiburg oder Saarbrücken, bei denen knapp 400 Kilometer zurückzulegen sind, reist das Team sogar einen Tag eher an, um optimale vorbereitet zu sein.

Heim nach Raitenbuch

Wenn es die Zeit erlaubt, verbringen David und Patrick jede freie Minute in ihrem Heimatort Raitenbuch – und dort meistens, wie soll es anders sein, auf dem Fußballplatz. Entweder sie schauen ihrem Bruder Niklas in der 1. Mannschaft zu oder sie schlagen sich die Bälle gegenseitig hin und her. „Natürlich tun wir uns in diesem Geschäft leichter, weil wir zu zweit sind“, sagen die beiden unisono. Ob der Weg tatsächlich in den Profifußball führt, ist trotzdem ungewiss. Patrick, der seit dieser Spielzeit von der Innenverteidigung ins defensive Mittelfeld, auf die so genannten Sechserposition vorgerückt ist, weiß: „Man braucht auch verdammt viel Glück.“

Wie es nach dem 30. Juni 2015 weitergeht, wenn ihr Vertrag beim „Club“ ausläuft, darüber haben sie sich bis jetzt genauso wenig Gedanken gemacht, wie über eine mögliche Ausbildung nach dem Abitur, das sie ihm Rahmen der Schulzeitstreckung 2016 schreiben werden. Eine Vertragsverlängerung beim 1. FC Nürnberg wäre jedenfalls der nächste Schritt, um irgendwann auch selbst vom Fußball nicht nur sportlich, sondern auch finanziell zu profitieren.