Ingolstadt
Die Sterne sind zum Greifen nah

Nach der aufwendigen Zertifizierung durch den DFB hofft der FC Ingolstadt auf eine Auszeichnung für sein Leistungszentrum

14.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:03 Uhr
Torschütze zum 1:1: Karl-Heinz Lappe −Foto: Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Hinter den Verantwortlichen im Nachwuchsbereich des FC Ingolstadt liegen anstrengende Monate. Nach der Lizenzierung im Vorjahr hatten sie die sogenannte „Zertifizierung“ des Nachwuchsleistungszentrums zu erarbeiten. Ein sperriger Begriff, hinter dem sich in erster Linie der Anspruch des DFB versteckt, die Nachwuchsförderung in den Profivereinen auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen.

Unser Redakteur Norbert Roth hat mit Zentrumsleiter Ronnie Becht (kleines Foto) über die Kriterien der Zertifizierung, den Ablauf der Überprüfung und das mögliche Ergebnis für den FC Ingolstadt unterhalten.

n Wie läuft eine Zertifizierung des Nachwuchs-Leistungszentrums? Durch den Aufstieg in die Zweite Bundesliga musste der FC Ingolstadt bereits im Vorjahr im Rahmen der Lizenzierung durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ein Nachwuchszentrum aufbauen. Ein Jahr später erfolgte nun die „Zertifizierung“, sprich Qualitätsprüfung, dieses Konzeptes. Dabei erhält der Verein zunächst einen Kriterienkatalog, der in acht Kategorien mit insgesamt rund 500 Einzelanforderungen unterteilt ist. Neben einem qualifizierten Trainerstab werden hier zum Beispiel die schriftlich niedergelegten Nachwuchskonzepte (in den drei Förderstufen zwischen 100 und 120 Seiten lang) oder auch die Mähzeiten der Trainingsplätze abgefragt. Fast drei Monate lang dokumentierte NLZ-Leiter Ronnie Becht mit seinen Mitarbeitern und in enger Abstimmung mit Geschäftsführer Harald Gärtner anhand dieses Leitfadens die Leistungsfähigkeit des Klubs, ehe die von DFB und DFL beauftragte Firma „Foot pass“ im November zu einer viertägigen Prüfung den Klub besucht hat. Interviews mit Verantwortlichen, Jugendtrainern und einzelnen Nachwuchsspielern, Trainings- und Spielbesuche bei den Jugendmannschaften sowie die Inspizierung der Infrastrukur gehören dazu.

n Was hat der Verein FC Ingolstadt von einer solchen Zertifizierung? Für Ronnie Becht, Fußball-Lehrer und Leiter des NLZ, bedeutete die Zertifizierung nicht etwa lästige Pflicht, sondern vielmehr „eine Chance zur fundierten Ist-Analyse“. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Da die Prüfungskriterien in Abstimmung zwischen DFB, DFL und den Lizenzvereinen immer wieder angepasst werden, ist die Nachvollziehbarkeit für die Klubs gegeben. Außerdem werden alle Instanzen des Klubs – vom Aufsichtsrat bis zum Greenkeeper – in die Abläufe mit einbezogen, sodass im gesamten Verein eine durchaus wünschenswerte Sensibilisierung für das Thema Nachwuchsarbeit stattfindet. Außerdem geht es um Fördergelder, denn bei der Zertifizierung werden zwischen null und drei Sterne vergeben. Immerhin vier Millionen Euro schüttet der DFB nach einem jährlich neu zu berechnenden Schlüssel an die ausgezeichneten Vereine aus, wobei es pro Stern zwischen 60 000 und 80 000 Euro gibt. Hinzu kommt der Image-Gewinn des Vereins, denn ein prämierter Verein tut sich natürlich leichter, wenn es darum geht, talentierte Nachwuchsspieler und deren Eltern für den Klub zu begeistern.

n Wie hat der FC Ingolstadt im Vergleich zu den anderen bayerischen Profiklubs abgeschnitten? Das Ergebnis der ersten Zertifizierung erhält der FC Ingolstadt erst Ende Februar/Anfang März. Bekommt der Verein dann einen Stern, würde sich Zentrumsleiter Becht schon „riesig freuen“. Realistisch betrachtet, sind die Chancen aber nicht besonders gut, weil man beim wichtigen Kriterium Effektivität aus naheliegenden Gründen nur wenig Erfolge vorweisen kann. „Als junger Verein können wir noch gar nicht so viele Spieler in den Profibereich gebracht haben, wie die etablierten Konkurrenten“, sagt Becht. Spieler wie Andreas Buchner oder Karl- Heinz Lappe würden sich zwar positiv niederschlagen, grundsätzlich sei man bei der Förderung aber noch am Anfang. Positiv bewertet wurden indes der gut ausgebildete Trainerstab, das schlüssige Jugendkonzept sowie die durchgängige Dokumentation der Spieler- und Elterngespräche. Das in die Jahre gekommene ESV-Gelände, die knapp bemessenen Trainingsbedingungen (nur ein Kunstrasenplatz, außerdem fehlt ein Funktionsgebäude bei den Trainingsplätzen, ein Athletikraum sowie eigene Besprechungszimmer für das NLZ) wurden indes beanstandet. Grundsätzlich hat der junge FC 04 zwar noch Aufholbedarf, steht gegenüber der Konkurrenz, die ihre Leistungszentren zum Teil vor über 15 Jahren gegründet hat, aber ganz ordentlich da. Zum Vergleich: Der 1. FC Nürnberg und der TSV 1860 München geben an, dass sie jeweils mit drei Sternen ausgezeichnet wurden. Die Leistungszentren des FC Bayern und des FC Augsburg behalten das Prüfungsergebnis für sich.

n Stichwort Refinanzierung: Wie groß ist der Druck, eigene Nachwuchsspieler in den Profibereich zu bringen? „Grundsätzlich“, sagt Becht, „gibt es diesen Druck von Vereinsseite nicht.“ Auch wenn die Nachwuchsarbeit mit zunächst veranschlagten 300 000 Euro (ohne die U 23-Regionalligamannschaft) gutes Geld kostet, so hat man beim FC 04 offenbar die nötige Ruhe, und gibt dem Konzept Zeit für die Entwicklung. Dies gilt auch, wenn die A-Jugend (U 19) in dieser Saison den angestrebten Aufstieg in die Bundesliga schaffen sollte. Eine Saison in der höchsten Jugendklasse würde dann zusätzlich noch einmal rund 500 000 Euro verschlingen. Becht selbst hofft indes, dass „wir jedes Jahr, spätestens alle zwei Jahre mindestens einen selbst ausgebildeten Spieler in den Profibereich bringen können“. In allernächster Zukunft wird hier zwar noch kein Vollzug zu vermelden sein, dennoch haben die U 23-Spieler Karl-Heinz Lappe, Stefan Müller, Aaron Siegl, Luka Odak, Florian Wenninger, Fabian Galm und U 19-Torwart Thomas Bauer bereits bei den Profis mittrainiert und können als nächste Anwärter gesehen werden.

n Woher bekommt der FC Ingolstadt seine Nachwuchsspieler? Durch das Appartement-Haus in der Münchner Straße (derzeit mit sechs Bewohnern) hat der Verein theoretisch die Möglichkeit, Jugendliche von überall her aufzunehmen. So weit ist es aber noch nicht. Bedingt durch die Spielklassen der Jugendmannschaften und die regionale Bundesligakonkurrenz konzentriert man sich derzeit hauptsächlich auf Talente, die maximal 80 Kilometer von Ingolstadt entfernt wohnen. Es haben sich aber auch schon Jugendliche aus Regensburg, Nördlingen, Stuttgart und Lindau dem Verein angeschlossen. Der Umstand, dass jedes Jahr mindestens zwei Spieler jedes Jahrganges von anderen Profiklubs angefragt werden, verdeutlicht, unter welchem Konkurrenzdruck bereits im Nachwuchsbereich gearbeitet wird. „Erst vor der laufenden Saison haben wir zwei Zwölfjährige an den 1. FC Nürnberg abgeben müssen“, erzählt Becht. Zwei U 14-Spieler werden wohl im kommenden Jahr zum FC Bayern gehen. Das Beispiel Thomas Bauer, der als U 17-Spieler ein Angebot von Greuther Fürth ausschlug, zeigt indes, dass der FC 04 zunehmend in der Lage ist, die eigenen Talente von der Leistungsfähigkeit seiner Arbeit zu überzeugen. Mit einer erfolgreichen Zertifizierung dürfte dies zukünftig noch häufiger gelingen.