Nürnberg
Aus der Schusslinie

In der öffentlichen Wahrnehmung schien Alois Schwartz beim 1. FC Nürnberg schon so gut wie entlassen. Nach drei Siegen in Folge sind die Verantwortlichen froh, dass sie an ihrem Trainer festhielten. Am Sonntag kommt Hannover.

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Nürnberg (DK) Wenn Andreas Bornemann über die aktuelle Situation beim 1. FC Nürnberg spricht, hat der Sportvorstand des Clubs auch stets seine eigene Vergangenheit im Hinterkopf. Bornemann wurde beim SC Freiburg ausgebildet. Also bei jenem Verein, der für heutige Verhältnisse unvorstellbare 16 Jahre mit demselben Trainer zusammenarbeitete und mit diesem Trainer Volker Finke nicht nur zweimal in die Bundesliga aufstieg, sondern auch dreimal den Weg in die zweite Liga antrat.

Alois Schwartz ist nun seit gerade einmal neun Zweitliga-Spielen Trainer des 1. FC Nürnberg und von Finke'schen Dimensionen weit entfernt. Nicht einmal, dass der Club in dieser Saison tatsächlich schon die Kurve gekriegt hat ist derzeit garantiert. Bornemann, der Sportvorstand, erinnert sich trotzdem an seine Freiburger Zeit. "Ich habe mich dort sozialisiert. Das ist so ein bisschen mein Weg seit ich im Fußball bin", sagt der 45-Jährige. Was er damit meint: Trotz des miserablen Saisonstarts hielt Bornemann an Trainer Schwartz fest. "Die vergangenen Spiele geben uns nun ein Stück weit recht, dass man nicht gleich in Panik und Aktionismus verfallen muss", sagt er.

Ein Rückblick: Der 1. FC Nürnberg verliert im September zuhause das Derby gegen Fürth mit 1:2. Der Club, in der Vorsaison noch Teilnehmer der Aufstiegsrelegation, ist nach dem sechsten Spieltag noch ohne Sieg Tabellenletzter. "Schwartz-Raus"-Rufe sind im Stadion deutlich zu hören. Für viele Fans steht fest: Nürnberg ist eine Nummer zu groß für einen (wenn auch erfolgreichen) Trainer des SV Sandhausen. Bornemann aber stärkt Schwartz den Rücken. "Uns war klar, dass es anhand der Gegebenheiten passieren kann, dass man etwas holpriger in die Saison kommt", sagt er. Drei Spiele und drei Siege später hat sich das Team nicht nur im Tabellenmittelfeld stabilisiert. Der Rückstand auf den Tabellendritten Hannover 96 beträgt plötzlich nur noch sechs Punkte. Am Sonntag (13.30 Uhr) ist der Bundesliga-Absteiger in Nürnberg zu Gast. "Manchmal ist der Sport nicht zu erklären", wundert sich auch Schwartz selbst, der aber unterstreicht: "Abgesehen von den Ergebnissen war vorher nicht alles schlecht. Und jetzt ist auch noch nicht alles gut." Ein paar konkrete Beispiele, wie sehr sich der Club im Vergleich zum Saisonstart verändert hat, gibt es dennoch. Beispiel Thorsten Kirschbaum: Der Torhüter ersetzte Raphael Schäfer nicht nur während dessen Verletzung, sondern erkämpfte sich auch danach seinen Stammplatz und tritt inzwischen als sicherer Rückhalt auf. Beispiel Defensive: Zuletzt kassierte der Club in drei Partien nur einen Gegentreffer. In den ersten sechs Spielen waren es 17. Beispiel Guido Burgstaller: Zu Saisonbeginn ein Sinnbild für die Nürnberger Krise, traf der Torjäger in den vergangenen vier Partien fünfmal.

"Die Einstellung hat sich geändert", vermutet Hanno Behrens. "Nach der vergangenen Saison haben wir gedacht, das läuft schon. In dieser ausgeglichenen Liga sind aber bereits 98 oder 99 Prozent zu wenig." Schwartz bestätigt: "In dieser engen Liga kann jeder jeden schlagen. Du musst die kleinen Dinge richtig machen." Dass seine Mannschaft noch "etliches an Arbeit vor sich hat", betont der Trainer nun ebenso wie die Vermutung, dass der Club "auf dem richtigen Weg" sei. Die Gemütslage, das bestätigt auch Mittelfeldakteur Kevin Möhwald, sei jedenfalls "um einiges besser als noch vor ein paar Wochen". Mit neuem Selbstbewusstsein könne man am Sonntag auch Hannover schlagen.

Dass Club-Chaoten am vergangenen Wochenende in Karlsruhe mit Böllern und Pyrotechnik sogar einen Spielabbruch in Kauf nahmen, passt da so gar nicht ins gute Gesamtbild, das der FCN derzeit abgibt. Andere Nürnberger Fans stellten sich in dieser Woche öffentlich gegen ein paar der eigenen Ultra-Gruppierungen. Finanzvorstand Michael Meeske kündigte harte Maßnahmen an und stellte die bislang gewährten Privilegien für Fanclubs in Frage. Die Täter aus Karlsruhe schaden dem Club. Zumal der Verein doch gerade dabei ist, wieder positivere Schlagzeilen zu schreiben.