Ingolstadt
"Schanzer Land"

Teil 3 der Serie: Wie der FC Ingolstadt versucht, seine Identität zu finden und dabei Fortschritte macht

27.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:43 Uhr

Potenzieller Fannachwuchs: Die Einlaufkinder bei den Heimspielen des FC Ingolstadt sind nur ein Beispiel, wie der Verein die Herzen der Fußballanhänger erobern will. Die Fanszene wächst jedenfalls spürbar an und erinnert - wie mit diesem Banner - immer wieder mal an die Wurzeln des Ingolstädter Fußballs in der Vergangenheit. Der FC Ingolstadt entstand 2004 aus der Fusion des ESV (Vereinsfarben: schwarz-weiß) und MTV (lila-weiß). - Foto: Schiffmann

Ingolstadt (DK) Der FC Ingolstadt führt vor der Fortsetzung der Punktrunde am 6. Februar mit dem Spiel bei der SpVgg Greuther Fürth die Tabelle der 2. Bundesliga souverän an. Bei sieben Punkten Vorsprung sind die Chancen groß, dass die Schanzer erstmals den Sprung in die Fußball-Bundesliga schaffen. Wir haben untersucht, ob der Verein elf Jahre nach seiner Gründung schon reif für den Aufstieg ist.

Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim, Paderborn, und bald noch Ingolstadt und Leipzig? Die Vorbehalte in der Fanszene gegen aufstrebende, neue Vereine sind groß. Retortenklubs, keine Tradition, geringe Fanszene, dafür viel Geld – so lauten die einschlägigen Vorurteile einiger Fußballanhänger. Aber stimmt das auch? Und kann man alle Vereine über einen Kamm scheren?

Fakt ist: Der FC 04 ist ein junger Verein, der sich sehr schnell entwickelt hat. Aber Fußball gespielt wurde davor in Ingolstadt auch schon. Rund 80 Lokalderbys lieferten sich die FC-Vorgängerklubs ESV und MTV, die 2004 zum FC 04 fusionierten. Vor allem der ESV entfachte Anfang der 1960er Jahre die erste Euphorie und klopfte 1962 schon einmal an das Tor zur damals erstklassigen Oberliga Süd an. Nach Einführung der Bundesliga spielten die Schwarz-Weißen sieben Jahre lang in der dann zweitklassigen Regionalliga (1963–66 und 1968–72). Zu Spielen gegen Bayern München (1965), Jahn Regensburg (1968) oder den 1. FC Nürnberg (1969 und 1971) pilgerten weit über 10 000 Zuschauer ins Stadion nach Ringsee. Die 16 000 Besucher beim 2:2 gegen den Club am 14. März 1971 sind bis heute gültiger Zuschauerrekord in Ingolstadt.

Einige Jahre später zog der MTV nach. Die Lila-Weißen stiegen 1978 in die 2. Bundesliga Süd auf, spielten 1979/80 sogar eine Saison gemeinsam mit dem ESV in der zweithöchsten deutschen Liga, und die Ringseer gewannen – als bis heute einziger bayerischer Verein – die zu jener Zeit prestigeträchtige Deutsche Amateurmeisterschaft. Erst danach folgte ein schleichender Niedergang und ein fast 25-jähriger Dornröschenschlaf.

Peter Jackwerth hieß der Prinz, der den Fußball in Ingolstadt wieder wachküsste. Er hatte die Vision eines gemeinsamen Klubs, führte die mittlerweile arg geschwächten Lokalrivalen zusammen und verwirklichte mit viel Engagement und auch Geld seinen Traum. Erst 2006 stieg Audi dann als Hauptsponsor mit ins Boot. „Wir haben das Glück, unseren Hauptpartner am Ort zu haben. Um diese Möglichkeit beneiden uns viele. Jeder hätte gerne die vier Ringe auf der Brust“, sagt der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer Franz Spitzauer. „Aber wir sind kein Werksverein, sondern haben einen Sponsorvertrag mit Audi und Ende.“

Die rasante Entwicklung ist freilich der Unterstützung des Ingolstädter Autobauers geschuldet. Das Stadion, die Infrastruktur und der rasche Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums wären ohne das Know-how und die Unterstützung des Hauptsponsors nicht möglich gewesen. Aber für die Inhalte ist schon der Verein selbst zuständig.

Was die Zuschauerresonanz betrifft, hat der FC Ingolstadt sicher noch Nachholbedarf. Und dennoch geht es den Schanzern nicht so viel anders als anderen Klubs vergleichbarer Größe. Im Jahr des Aufstiegs hatten die SpVgg Greuther Fürth und der SC Paderborn einen Schnitt von knapp 11 000 Zuschauern, der FC 04 liegt derzeit bei 8200. Aber attraktive Gegner wie 1860 München, der 1. FC Nürnberg, RB Leipzig oder Fortuna Düsseldorf kommen noch. „Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir spüren ein stetig wachsendes Interesse. Die Entwicklung ist absolut positiv“, sagt Geschäftsführer Harald Gärtner, der für Sport und Kommunikation zuständig ist.

Das Problem: Dem FC 04 fehlt eine ganze Zuschauergeneration. Fußballinteressierte mussten sich in den mageren Jahren zwangsläufig den bayerischen Vorreitern Bayern München, 1. FC Nürnberg oder 1860 München zuwenden. So braucht es eben Geduld, bis eine neue Fangemeinde erwächst, die den FC 04 als ihren Lieblingsklub erwählt. Spitzauer stellt Fortschritte fest: „Wir haben es geschafft, dass wir mittlerweile in ganz Deutschland als ,die Schanzer’ wahrgenommen werden. Wir sind die Schanzer, und wir sehen das als Chance, eine gesamte Region hinter uns zu bringen.“ Anstelle der wenig griffigen Bezeichnung Region 10 mit den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen spricht Spitzauer vom „Schanzer Land“. Der FC-04-Geschäftsführer will die 360 000 Einwohner der Region ansprechen und den FC 04 in den Köpfen der Fußballfans verankern.

Die Schanzer Fußballschule, der Kids Klub, die Kontaktpflege zu den umliegenden Vereinen, der neue Fanshop in der Stadtmitte – all das sind Mosaiksteine, um eine eigene Identität aufzubauen und das Image zu verbessern. „Wir wollen demnächst am Stadion auch den Schriftzug ,Heimat der Schanzer’ aufbringen, um unsere Verbundenheit mit der Stadt noch mehr zu dokumentieren“, sagt Spitzauer. Der Name soll aber nicht nur verbinden, sondern auch Programm sein. Die Schanz als Festung und Zeichen der Heimstärke. In dieser Saison hat es bisher gut geklappt – der Audi-Sportpark war für die Gegner in zehn Spielen (sieben FC-Siege, drei Unentschieden) uneinnehmbar.

 

Fazit: Der FC 04 hat es zwischen den historischen Fußball-Hochburgen München und Nürnberg sicher schwer, seine eigene Anziehungskraft zu entwickeln, aber das Interesse wächst. Das Potenzial, eine bundesligawürdige Stammfangemeinde von wenigstens 20 000 Zuschauern für den Verein zu begeistern, scheint vorhanden – Erfolge, Geduld und ein größeres Stadion vorausgesetzt.