Nürnberg
Machtkampf der Zulieferer geht weiter

Gericht urteilt heute im Streit zwischen Grammer und Prevent Auftragseinbruch beim Amberger Sitzhersteller

18.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Nürnberg (DK) Der Streit zwischen den beiden Autositzherstellern Grammer und Prevent geht in die nächste Runde: Heute will das Landgericht Nürnberg-Fürth das Urteil über die Herausgabe neuer Grammer-Aktien fällen.

Wenn sich zwei Autozulieferer streiten, ärgern sich nicht nur die betroffenen Arbeitnehmer. Meist fliegen auch juristisch die Fetzen. Bestes Beispiel ist der Konflikt zwischen der Grammer AG aus Amberg und der Prevent-Gruppe, die ebenfalls Autositze herstellt und zum Firmenimperium der bosnisch-stämmigen Unternehmerfamilie Hastor gehört. Die Anwälte der Kontrahenten haben sich vergangenen Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth einen verbalen Schlagabtausch um Paragrafen und die Kosten von Kopfstützen geliefert. Heute will das Gericht entscheiden, ob die einstweilige Verfügung gegen die Herausgabe neuer Aktien von Grammer an das chinesische Unternehmen Ningbo Jifeng endgültig abgeschmettert wird.

Zunächst war Prevent erfolgreich gegen die geplante Aktienausgabe an Ningbo Jifeng auf dem Wege einer Wandelschuldverschreibung vorgegangen. Ende April hob das Landgericht Nürnberg-Fürth die Vollstreckung der einstweiligen Verfügung gegen Gramá †mer dann vorläufig auf. Eine Entscheidung darüber hätte eigentlich am Dienstag erfolgen können. Doch der Anwalt der Prevent-Gruppe, Franz Enderle, stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Dieser hätte schließlich schon vorher die einstweilige Verfügung mit der fatalen Folge ausgesetzt, dass Grammer das Aktienpaket zwischenzeitlich an die Chinesen übertragen konnte. Grammer soll die Chinesen als "weißen Ritter" ins Boot geholt haben, um eine Übernahme durch Prevent zu vermeiden.

Anschließend stritten sich die Parteien, ob im Wege der Wandlung der Wandelschuldverschreibung die relevante Umsatzschwelle nicht überschritten worden sei. Enderle vertrat die Meinung, dass Grammer die Umsatzschwelle in Höhe von fünf Millionen Euro alleine durch eine Lieferung von Kopfstützen für die 3er-Reihe an den Münchner Autobauer BMW erreicht habe. Grammer-Anwalt Thomas Sacher forderte Beweise. Schließlich beendete der Richter den Schlagabtausch: Der Worte seien genug gewechselt, er kündigte für heute eine Entscheidung an.

Indirekt sitzt auch die Politik mit am Tisch. Hinter den Kulissen verhandelt die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) mit den Streithähnen. Viel Zeit für die Schlichtung bleibt vor der Hauptversammlung am 24. Mai freilich nicht. Die durch einen Konflikt mit VW in die Schlagzeilen geratene Investorenfamilie Hastor arbeitet nach Medienberichten möglicherweise an einer Übernahme der Grammer AG, die sich auf die Herstellung von Autositzen spezialisiert hat und weltweit rund 12 000 Mitarbeiter beschäftigt. Zu den größten Kunden der Amberger zählen BMW, Mercedes und Volkswagen.

Durch den Streit würden auch die Kundenbeziehungen belastet, warnte kürzlich Grammer-Chef Hartmut Müller. Gestern verschreckten Meldungen über einen Auftragseinbruch die Aktionäre. "Der Auftragseingang hat sich im 1. Quartal praktisch halbiert", sagte Müller. Nach dem Vorstoß der Hastors hatten Großkunden angekündigt, ihre Geschäftsbeziehung zu überprüfen. "Manche Aufträge liegen noch auf Eis, andere sind an die Konkurrenz gegangen", sagte Müller. Die Papiere des Unternehmens brachen zeitweise um 9 Prozent ein.