Neckarsulm
Tag des Donners

Kritische Audi-Aktionäre ziehen die 128. Hauptversammlung ungewöhnlich in die Länge

18.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Ein langer Tag: Selten dauerte eine Audi-Hauptversammlung so lange, wie die gestrige im Audi-Forum in Neckarsulm. Die Aktionäre hatten viele kritische Fragen. - Foto: Oppenheimer

Neckarsulm (DK) Es war keine große Überraschung: Bei der gestrigen Audi-Hauptversammlung in Neckarsulm war der Diesel-Skandal das bestimmende Thema. Anteilseigner und Aktionärsschützer übten deutliche Kritik an der Führungsriege. Die Versammlung dauerte so lange wie selten zuvor.

Selten hatte eine Audi-Hauptversammlung wohl derart die Mägen der Anteilseigner strapaziert wie die gestrige. Weil die kritischen Fragen gar nicht enden wollten, blieb das rote Absperrband, das die Aktionäre vom Essen trennte, für sie wohl gefühlte Ewigkeiten geschlossen. Gegen Mittag hatte sich bereits gut die Hälfte des Publikums Richtung Buffet verlagert. Doch erst gegen 14 Uhr hatten die Verantwortlichen ein Einsehen und gaben das Essen frei - in den Jahren zuvor war zu dieser Uhrzeit die Versammlung in der Regel längst beendet.

Grund für die Verzögerung - die Versammlung endete erst um 15.45 Uhr - war aber nicht unbedingt die Vielzahl der Redner, sondern die Beharrlichkeit einiger weniger. Eine Handvoll Sprecher war mit der Beantwortung ihrer Fragen so unzufrieden, dass sie wieder und wieder vors Mikrofon traten und ihre Fragen wiederholten beziehungsweise weiter präzisierten.

Zu den Mehrfach-Referenten zählte unter anderem Andreas Breijs von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er redete sich zeitweise regelrecht in Rage und ereiferte sich unter anderem darüber, dass Audi-Chef Rupert Stadler in seiner Rede von "Diesel-Problematik" gesprochen hatte. "Es handelt sich nicht um eine Diesel-Problematik", wütete Breijs. "Es handelt sich um eine Betrugs-Problematik." Sein Resümee: "Die gelungenste Innovation bei Audi ist der Kleber, mit dem die Vorstände an ihren Stühlen kleben."

Auch bei Aktionär Christian Strenger war der Diesel-Skandal Thema: "Wir können Ihnen nicht glauben, dass nur subalterne Mitarbeiter den Diesel-Skandal zu verantworten haben", sagte er an die Führungsriege gewandt. Das sei eine "ziemliche Gemeinheit". Er wolle wissen: "Wer war wirklich dabei" Auch Strenger erklomm gleich mehrfach das Podium.

"Positive Worte zum vergangenen Geschäftsjahr zu finden, fällt äußerst schwer", sagte Felix Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Er kritisierte eine mangelnde interne Aufarbeitung des Diesel-Skandals. Zugleich bemängelte er aber auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, die während der Bilanzpressekonferenz in Ingolstadt bei Audi eine Razzia durchgeführt hatte. Das sei eine "Sauerei", man habe den Autobauer dabei "vorgeführt".

Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte gestern Audis neuer Entwicklungschef Peter Mertens. "Wir wünschen ihm bei der Erfüllung seiner vielen Aufgaben viel Erfolg", sagte VW-Boss und Audi-Aufsichtsratschef Matthias Müller. Audi habe aus der "Diesel-Krise" viel gelernt, so Müller. Auf die Automobilindustrie komme in den nächsten zehn Jahren ein gigantischer Wandel zu. "Audi muss diese Transformation mitgestalten und mitprägen."

Rupert Stadler übte sich zumindest zeitweise in Selbstkritik: "Wir haben seit Beginn der Diesel-Krise eine schwere Zeit", sagte der Audi-Chef. Das Kundenvertrauen sei "angekratzt". Trotzdem sei das vergangene Jahr kein verlorenes Jahr gewesen. Man habe große Fortschritte bei der Aufarbeitung der "Diesel-Krise" gemacht und strategisch den richtigen Kurs eingeschlagen. Stadler sitzt fest im Sattel: Bereits am Mittwoch hatte der Aufsichtsrat seinen Vertrag als Audi-Chef um weitere fünf Jahre verlängert.

Neue Aufgaben gibt es indes für Finanz- und IT-Vorstand Axel Strotbek. Wie Stadler gestern verkündete, verantwortet Strotbeck nun zusätzlich noch das neue Ressort Integrität.

Rund 570 Aktionäre waren zur 128. Hauptversammlung der Audi AG gekommen. Einer davon wünschte sich in seiner Rede künftig mehr Kontinuität: "Man hat allmählich Schwierigkeiten, sich die Namen der Technikvorstände zu merken", so der Anteilseigner. Gleich danach kritisierte er - wie einige andere Kleinaktionäre - die seiner Meinung nach zu niedrige Dividende. Diese sei "sehr, sehr wenig". Ein anderer hatte im Bezug auf die Aufarbeitung des Diesel-Skandals einen gut gemeinten Tipp für die Führungsriege auf Lager: "Mauern Sie nicht, ackern Sie. Und sehen Sie zu, dass das Ganze wieder in Ordnung kommt."