München
Ein Daniel Düsentrieb aus Schwaben

Erfinder und Geschäftsmann Artur Fischer wird 95 Jahre alt – Dübel sind sein größter Erfolg

29.12.2015 | Stand 02.12.2020, 21:49 Uhr

München (AFP) Daniel Düsentrieb titulieren ihn manche, Dübelkönig nennen ihn andere – doch beide Vergleiche beschreiben Artur Fischer nur unzureichend. An Silvester feiert der Erfinder und Geschäftsmann seinen 95. Geburtstag.

Während der umtriebige Erfinder Düsentrieb aus den Disney-Comics aus rein altruistischen Motiven für Dagobert und Donald Duck tüftelt, denkt Fischer auch ans Geld. Und wer ihn auf seinen weltbekannten Dübel reduziert, verkennt die große Vielfalt im Schaffen des Schwaben.

Die jüngste Patentveröffentlichung auf Artur Fischer ist erst wenige Tage alt. Am 10. Dezember veröffentlichte das Deutsche Patentamt den Spreizdübel mit Schraube – eines von mittlerweile mehr als 1100 Patenten. Mit dieser Vielzahl an Erfindungen ist Fischer seit Langem eine Legende. Von der heutigen Welt der spezialisierten Ingenieure hebt er sich vor allem dadurch ab, dass er für verschiedene Alltagsprobleme Lösungen gesucht und gefunden hat. Und das, wie er selbst sagte, auch immer mit dem Gedanken ans Geschäft.

So war es von früh an im Leben des am Silvestertag 1919 in Tumlingen im Schwarzwald geborenen Fischer. Der Sohn des Dorfschneiders, der bis heute in seiner Heimatregion lebt, fing mit dem Erfinden schon als Schulbub an. In der „Zeit“ erinnerte er sich einmal daran, wie er als Schüler ein Aquarium baute – für die Heizung besorgte er sich beim Apotheker Röhren. Er habe den Preis um die Hälfte heruntergehandelt. „Das war meine erste kaufmännische Handlung.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Geschäft für den gelernten Schlosser so richtig zu laufen. Weil es kaum Streichhölzer gab, konstruierte er 1948 einen elektrischen Feueranzünder. Den tauschte dann seine Frau gegen Butter, Eier oder Speck ein.

Der erste Massenerfolg für den Erfinder und Unternehmer war ein Blitzgerät für Fotoapparate, das die feuergefährlichen Pulverblitze ablöste. Agfa gab dem jungen Unternehmer einen Großauftrag zum Bau des von ihm erfundenen Blitzgeräts, das mit dreizehn Millionen verkauften Stück ein gigantischer Erfolg wurde.

„Man muss den Mut haben, das umzusetzen, was man für richtig hält“, sagte Fischer schon vor Jahren dem „Manager Magazin“. Mit dieser Maxime gelang ihm 1958 seine mit Abstand bedeutendste Erfindung, der Fischer-Dübel. Er war zwar nicht der Erste, der mit Dübeln für den Halt von Schrauben in Wänden und Decken sorgen wollte. Aber er war der Erste, der auf das damals neue Material Nylon setzte. „Das kostete viermal so viel wie billigere Werkstoffe, aber ich wusste sofort: Das ist das Richtige für meine Zwecke.“

Heute stellen die Fischer-Werke täglich 14 Millionen Dübel her und verkaufen sie in alle Welt. Mit dem Tagesgeschäft hat Artur Fischer schon lange nichts mehr zu tun. An Neujahr 1980 übergab er seine Firma an seinen Sohn Klaus, der das Unternehmen internationalisierte und den Umsatz vervielfachte.

Dennoch herrscht in der Familie Fischer keineswegs eitel Sonnenschein: Der Übergang von Vater auf Sohn geriet holprig. Und mit dem zweiten Kind, Tochter Margot, liegt der Patriarch seit Jahren im Clinch. Sie fühlt sich beim Erbe hintergangen und rächt sich nach mehreren verlorenen Prozessen seither mit der Internetseite www.fischerfratze.de.

Das ist ein dunkles Kapitel für den in diesem Jahr für sein Lebenswerk mit dem Europäischen Erfinderpreis ausgezeichneten Fischer. Und auch eines, das so gar nicht zu dem Kindern zugeneigten Bild des Erfinders passen mag. Denn Fischer tüftelte auch immer wieder mit großer Leidenschaft für die Kleinsten. Seine Bausätze mit Fischertechnik sind legendär. Auch das Fischer TiP, essbare Bausteinchen aus Kartoffelstärke, hat viele junge Fans. „Wer erfindet, kann Kind bleiben“, sagt Fischer – vielleicht ist das das Geheimnis, wie er sich bis ins Methusalemalter die Tatkraft erhalten hat.