Ingolstadt
Schlanker und schneller

Audi begegnet den großen Herausforderungen der Zukunft mit neuer Strategie 2025

18.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:32 Uhr

Ingolstadt (DK) Die digitale Revolution hat die Automobilbranche voll erfasst und stellt die Hersteller zunehmend vor eine existenzielle Frage: Bleiben sie Herren des Geschehens, oder werden sie zu simplen Zulieferern von Hardware degradiert? Audi will mit der Strategie 2025 das Heft in der Hand behalten.

Morgen ist es wieder einmal so weit: Das Audi-Management trifft sich in München. Zweck des Meetings: Konzernchef Rupert Stadler wird den Führungskräften die Details seiner Zukunftsstrategie 2025 offenlegen. Die steht unter dem Motto "Speedup", was so viel bedeutet wie Ballast abwerfen und beschleunigen. Schlanker und schneller muss die Ingolstädter VW-Tochter werden, weil sie, so Stadler, einerseits "Fett angesetzt", sich andererseits aber ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hat: Audi soll zur ersten "Digital Car Company" mutieren, um der drohenden Konkurrenz aus dem Silicon Valley die Stirn bieten zu können. Denn nur wie bisher einfach nur Autos bauen, geht künftig nicht mehr. Wer überleben will, muss sich zum Anbieter digitaler Dienstleistungen und von nachhaltiger Mobilität in unterschiedlichen Formen wandeln.

Und die Zeit drängt. Denn in den USA haben sich unter anderem die IT-Giganten Google und Apple aufgemacht, das Auto völlig neu zu erfinden. Elektrisch angetrieben, autonom unterwegs, mit allen denkbaren - und heute noch undenkbaren - digitalen Helferlein an Bord, wollen sie das klassische Automobil in einen total vernetzten rollenden Computer verwandeln. Das Kraftfahrzeug mutiert damit zum Büro, zur Bankfiliale, zum Kino, zum Spielplatz, zum Einkaufsladen, zur Kommandozentrale für den automatisierten Haushalt. Das dafür nötige digitale Know-how wird damit weitaus wichtiger als das Wissen um die Herstellung eines Automobils.

Dabei sind die Googles und Apples ganz klar im Vorteil. Die Zukunftstechnologie halten sie in Händen, das Drumherum - sprich: Auto - lässt sich einfach zukaufen. Das Fatale dabei ist die gewaltige finanzielle Potenz der US-Konzerne: Alleine Apple sitzt auf Barreserven von 215,7 Milliarden Dollar (rund 194,8 Milliarden Euro), Google hortet immerhin noch 73,1 Milliarden Dollar. Da ließe sich ein Autobauer auch gleich ganz übernehmen - quasi aus der Portokasse. Dagegen mussten sich die deutschen Premium-Autohersteller Audi, BMW und Mercedes schon zusammentun, um die 2,8 Milliarden Euro für den Kauf des Kartendienstes Here stemmen zu können.

Neben der Digitalisierung des Autos muss Audi wie alle anderen Hersteller auch mit dem Wandel bei der Antriebstechnik fertig werden. Denn einerseits setzen Politik und Behörden mit immer strengeren Emissionsvorgaben für herkömmliche Verbrennungsmotoren - und dabei vor allem für den Diesel - die Hersteller zunehmend unter Druck. Nicht umsonst hat VW-Konzernchef Matthias Müller bereits den Abgesang auf den Selbstzünder angestimmt: "Es wird sich die Frage stellen, ob wir ab einem gewissen Zeitpunkt noch viel Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen", sagte er kürzlich dem "Handelsblatt". Dieser Zeitpunkt dürfte erreicht sein, wenn der Elektromotor günstiger zu haben sein wird als ein Verbrenner, die Ladeinfrastruktur steht und die Steuervorteile für den Diesel kippen.

Andererseits wird auch bei den alternativen Antrieben die Konkurrenz immer härter: Der US-Konzern Tesla ist dabei, seine Elektro-Luxusautos zum Kultobjekt zu machen und bald schon nicht mehr nur in der Oberklasse zu wildern. Zwar verdient Tesla mit seinen Wagen kein Geld, schreibt vielmehr immer höhere Verluste. Aber welches Start-up hat jemals mit Gewinn begonnen? Auch BMW - der schärfste Konkurrent der Ingolstädter Autobauer - ist mit seinem E-Auto i3 dem Vernehmen nach keineswegs mit schwarzen Zahlen unterwegs. Doch die Münchner ficht das nicht an, sie planen vielmehr schon ein weiteres, völlig neu konstruiertes E-Modell, das in etwa vier Jahren auf den Markt rollen soll.

Audi wird 2018 sein erstes vollelektrisches Auto - das SUV Q 6 e-tron - auf die Straße schicken. Daneben wird eifrig an der Weiterentwicklung der Brennstoffzelle gearbeitet, um die wohl noch länger bestehenden Handicaps des E-Autos - hohes Gewicht und relativ geringe Reichweite sowie mangelhafte Infrastruktur und lange Ladezeiten - zu umgehen. Toyota hat bereits ein Wasserstoffauto auf der Straße. So oder so: Bis 2025 will Audi laut "Manager Magazin" rund 700 000 Elektroautos jährlich verkaufen - das sollen dann 25 bis 30 Prozent des gesamten Jahresabsatzes sein. Und schon in vier Jahren will Audi-Chef Stadler dem Vernehmen nach rund die Hälfte der Gesamterlöse und etwa 25 Prozent des Gewinns mit IT, Software und darauf aufbauenden Dienstleistungen generieren.

Da heißt es erst einmal kräftig investieren. Drei Milliarden Euro hat Audi im laufenden Jahr für Sachinvestitionen geplant. In den kommenden Jahren dürfte das Budget auch kaum größer ausfallen. Dass derartige Summen für die Umsetzung des ambitionierten Kurswechsels ausreichen, glaubt man bei Audi selbst nicht. Denn die VW-Tochter kämpft auch mit den immer noch nicht absehbaren finanziellen Folgen von "Dieá †selgate" sowie langsamer wachá †senden Absatzzahlen und voraussichtlich aná †haltenden Wechselkursturbulenzen.

Ferner müssen ganz neue Mobilitätsideen gefunden und umgesetzt werden - über die Kooperation mit Fahrdiensten oder das Auto auf Abruf hinaus. In Berlin soll sich nun eine kleine Truppe von Audianern den Kopf darüber zerbrechen, wie die VW-Tochter die Herausforderungen aus Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Urbanisierung meistern könnte - und entsprechende Geistesblitze ins Unternehmen leiten. Weil das dafür notwendige Investitionsbudget nach wie vor aus eigener Kraft gestemmt, gleichzeitig aber das Renditeziel nicht nach unten korrigiert werden soll, wird nun der Rotstift angesetzt.

Zusätzliche Mittel wollen Stadler und sein Finanzchef Axel Strotbek etwa in der Technischen Entwicklung einsammeln: Aus die Zeiten, dass etwa ein Modell kurz vor Produktionsstart noch geändert wird und damit bereits fertiggestellte Werkzeuge auf den Müll gekippt werden müssen. Schluss auch mit teuren Mehrfach- und Parallelentwicklungen innerhalb des Konzerns. Zudem wird wohl in den Modellreihen aufgeräumt: Varianten sollen deutlich günstiger auf die Räder gestellt werden oder ganz fortfallen, wenn sie nicht die Renditevorgaben erfüllen. Elf Prozent über alle Modellreihen hinweg lautet dem Vernehmen nach die Zielgröße. Derzeit sind es bei den kleineren Autos teils nur vier Prozent, ist im Unternehmen zu hören. Ebenso soll die Zahl der Motorvarianten, Getriebe und Schaltungen reduziert werden. Und wenn es ganz dicke kommt, wird Audi auch beim Personalstand zurückstecken müssen. Bei den Neueinstellungen geht das Unternehmen bereits auf die Bremse. "Wir müssen überall nach Wegen suchen, effizienter zu werden", sagte Stadler dem "Manager Magazin".

Ohnedies hat sich der Audi-Lenker bereits von einem lange Zeit verfolgten Ziel verabschiedet: Den Konkurrenten BMW und Mercedes-Benz will er nicht mehr mit den Verkaufszahlen davonfahren, sondern künftig mit dem Markenwert. In einem "Bilanz"-Interview sagte er kürzlich, es gehe "nicht vorrangig um einen Volumenwettbewerb". Vielmehr werde man "die Nummer eins, wenn der Kunde sagt: ,Das ist der hottest Brand'". Wertvollste deutsche Automarke ist laut Interbrand-Studie allerdings BMW, gefolgt von Mercedes-Benz. Es gibt viel zu tun im Reich der vier Ringe.