Ingolstadt
Ermittlungen gegen unbekannt

Im Verfahren gegen Audi gibt es zunächst keine konkret Beschuldigten Vorwurf des Betrugs und der strafbaren Werbung

15.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr

Ingolstadt/München (DK) Mit mehr als 100 Polizisten und 18 Staatsanwälten rückten die Ermittlungsbehörden gestern zur Durchsuchung bei der Audi AG an. Den Schwerpunkt der Razzia im Zusammenhang mit der Diesel-Abgasaffäre bildete der Hauptsitz des Unternehmens in Ingolstadt, aber auch das Werk in Neckarsulm und die Konzernmutter in Wolfsburg erhielten unangemeldeten Besuch.

Es geht um den Verdacht des Betrugs und der strafbaren Werbung. Das Verfahren läuft zunächst gegen Unbekannt.

Die Kräfte waren in mehr als 20 Fahrzeugen zu der morgendlichen Razzia in Ingolstadt angerückt, die ausgerechnet am Tag der Jahrespressekonferenz bei Audi stattfand. Man habe selbst erst wenige Tage vorher von dieser Veranstaltung erfahren, da sei die Planung nicht mehr zu stoppen gewesen, hieß es hinter den Kulissen. So waren die Journalisten gleich zur Stelle; äußerst unangenehm für Audi.

Im Visier der Ermittler sollen neben der Unternehmensleitung auch Verantwortliche aus der Fahrzeugentwicklung, also der mittleren Managementebene stehen, war zu erfahren. Gegenstand der Untersuchungen sei der Verkauf von insgesamt rund 80 000 Fahrzeugen, die zwischen 2009 und 2015 auf dem US-Markt mit von Audi entwickelten V6-3.0-Liter-Dieselmotoren ausgeliefert wurden, teilte Ken Heidenreich als Sprecher der Staatsanwaltschaft München II mit. Es bestehe der Verdacht, dass in diese Autos technische Vorrichtungen zur Manipulation von Abgaswerten eingebaut wurden, ohne die Käufer davon zu informieren. Damit sollten laut Vorwurf die strengen Abgaswerte in den USA eingehalten werden.

An der Razzia nahmen die Landeskriminalämter in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen teil, wobei die Münchner in allen drei Bundesländern eingesetzt waren. Die Polizei war außer in Ingolstadt an acht weiteren Orten angerückt. Darunter soll dem Vernehmen nach auch die Anschrift der Münchner Anwaltskanzlei sein, die vom VW-Aufsichtsrat mit der Aufklärung des Skandals beauftragt ist.

Während anderswo auch Privatwohnungen Ziel der Aktion waren, wurden in Ingolstadt ausschließlich Büroräume durchsucht. Angeblich gibt es eine Liste mit mehr als 50 Personen, die sich nun unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Auch ehemalige Audi-Mitarbeiter gehören zu denjenigen, die intensiv vernommen werden. "Sie sind eine wichtige Quelle für uns", war von Behördenseite zu erfahren.

Die Ermittler wollen über Aussagen und die Auswertung sichergestellter Unterlagen klären, welcher Personenkreis an der Verwendung der illegalen Technik und eventuell an unrichtigen Angaben gegenüber Dritten beteiligt war. Sie schafften gestern Nachmittag dutzendweise Kartons ins Audi-Werk, um eventuelle Beweismittel einzusammeln.

Die Diesel-Affäre in den USA hatte sich ab September 2015 zunächst auf VW beschränkt. Audi geriet erst vorigen Herbst tief in den Strudel der Ermittlungen, als bekannt wurde, dass die Ingolstädter bereits ab etwa 2006 bei der Entwicklung eines 3.0-Liter Dieselmotors eine Schummelsoftware eingebaut haben sollen. Das Programm soll Testsituationen erkannt und "saubere" Werte produziert haben, während der Stickoxidausstoß im Fahralltag weit über die zulässigen Grenzen hinausgegangen sein soll.