In einem Land vor unserer Zeit

03.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:43 Uhr

Gestern und heute: Der Audi Q2 neben einem rosafarbenen US-Klassiker aus den 1950er-Jahren. - Foto: Audi (2), Oppenheimer

Kuba (dk) Der Q2 ist von der Form derzeit der wohl ungewöhnlichste Audi. Für die erste Ausfahrt haben die Ingolstädter nun auch eine ungewöhnliche Kulisse gewählt: das sozialistische Kuba. Eindrücke aus einem Land, in dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist.

Parkt ein Q2 auf der Plaza de la Revolucion . . . klingt wie ein Scherz - ist aber keiner. Der Ingolstädter Autobauer Audi hat sich tatsächlich für eine erste Fahrpräsentation seines neuesten SUV-Modells das sozialistische Kuba ausgesucht. Und so blickt Che Guevara als Stahlskulptur von der Fassade des angrenzenden Innenministeriums auf die Journalisten herab und schaut zu, wie sie eifrig den jüngsten Spross der Ingolstädter Q-Familie von allen Seiten ablichten. Ob sich der Revolutionär das hätte träumen lassen? Der riesige Platz, auf dem der inzwischen schwerkranke Ex-Präsident Fidel Castro früher zu mehr als einer Million Kubanern sprach, als Fotokulisse?

Seit 2014 beginnt sich der Karibikstaat langsam zu öffnen. Nun wollen westliche Unternehmen scheinbar schnell die Chance ergreifen, den noch originalen Charme von Kuba einzufangen - bevor eines Tages vielleicht doch im Eiltempo der Kapitalismus Einzug hält. Vor Kurzem war das französische Modelabel Chanel zu Gast und ließ seine Models mitten in der Hauptstadt Havanna über den Catwalk laufen.

Mit dem Autofahren ist das in Havanna so eine Sache - es ist nicht ganz einfach, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Denn fast an jeder Ecke wartet ein potenzielles Fotomotiv: die völlig maroden Gebäude, die Bewohner mit ihrer bunten Kleidung - und natürlich die unzähligen US-Straßenkreuzer aus den 1950er-Jahren. Die Autos blieben zurück, als die Amerikaner 1959 nach der Revolution aus Kuba fliehen mussten. Danach wurden höchstens noch Autos aus den sozialistischen Bruderländern eingeführt: Hauptsächlich russische Ladas und Moskwitschs, aber auch Wartburgs aus DDR-Produktion. Zuletzt kamen noch ein paar asiatische Modelle dazu.

Seit 2014 dürfen die Kubaner auch privat neue Autos kaufen. Für Einheimische sind diese aber unerschwinglich. Ein kleiner Peugeot beispielsweise, der bei uns 20 000 Euro kostet, wird in Kuba aufgrund von Zollzuschlägen und Sondersteuern für rund 200 000 Euro angeboten - also in etwa für das Zehnfache. Selbst ein Gebrauchtwagen bleibt für viele Kubaner lebenslang ein Traum, denn der durchschnittliche Monatslohn liegt bei umgerechnet rund 22 Euro.

Als Absatzmarkt dürfte Kuba für Audi also wohl noch längere Zeit uninteressant bleiben - auch wenn die Ingolstädter tatsächlich rund 200 Autos pro Jahr in das sozialistische Land verkaufen, wie Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter erzählt und ergänzt: "Hauptmarkt für den Q2 ist mit Sicherheit Europa."

Schweißtreibend sind auf Kuba nicht nur die Temperaturen von mehr als 30 Grad und die extreme Luftfeuchtigkeit, auch der Verkehr bringt Europäer ins Schwitzen. Die Hupe ersetzt fehlende Verkehrszeichen. Und wenn der Blinker kaputt ist, gibt man eben Handsignale. Vorsicht ist geboten, wenn ein Ast auf der Fahrbahn liegt. Denn dabei handelt es sich möglicherweise um ein kubanisches Warndreieck, das vor einem liegengebliebenen Auto warnt. Weil Ersatzteile hier nur schwer zu bekommen sind, kann es schon mal sein, dass das Auto auch noch zwei Tage später auf genau der Fahrspur steht, auf der es den Geist aufgegeben hat.

So ungewöhnlich die Stadt Havanna auf Deutsche wirkt, so ungewöhnlich ist auch das Design des Q2 - zumindest für einen Audi. Die bestimmende Grundform ist das Polygon - eine Fläche mit vielen Ecken. Von außen sticht dieses Prinzip sofort ins Auge, wenn man den Q2 von der Seite betrachtet. An den Türen haben die Designer sozusagen ein Stück "abgetragen". Dadurch werden die Radhäuser hervorgehoben, was die Allrad-Gene von Audi betonen soll. Markantestes Detail ist aber mit Sicherheit das farblich abgesetzte Seitenteil in der C-Säule. Das Polygon findet sich immer wieder: etwa in der Form der Außenspiegel oder innen in der Chromumrandung der Türgriffe oder der Klimabedienung. "Ein runder Außenspiegel hätte einfach nicht gepasst", sagt Audi-Designer Matthias Fink. Nur beim Schaltknauf mussten sich die Designer der Haptik beugen. Ein eckiger Schaltknauf würde sich einfach nicht gut anfühlen.

Der Vierzylinder-Benziner mit 150 PS beschleunigt den Q2 souverän. Damit schafft es der kleine Ingolstädter laut Datenblatt auf immerhin 208 km/h. Ein Tempo, das man aufgrund der zahlreichen und teils kraterähnlichen Schlaglöcher auf kubanischen Straßen lieber nicht fahren sollte - ganz abgesehen vom Tempolimit.

Weiter stehen zur Wahl ein stärkerer Vierzylinder-Benziner mit 190 PS, sowie ein Dreizylinder-Benziner mit 116 PS. Die exakt gleichen PS-Werte gibt es auch als Diesel-Variante. Bei Audi spielte man übrigens mit dem Gedanken, auch die Selbstzünder auf Kuba vorzustellen, rückte aber nach einer Spritprobe wieder davon ab. Die Dieselqualität in dem sozialistischen Staat ist miserabel und für moderne Motoren unverträglich.

Damit der kleine SUV in der Stadt besonders wendig ist, haben ihm die Ingenieure den mit 2,60 Meter kürzest möglichen Radstand des MQB-Baukastens spendiert. Zusätzlich hat der Q2 serienmäßig die Progressivlenkung des S3 an Bord, die - kurz gesagt - viel "Kurbelarbeit" beim Lenken erspart.

Die Preise für den Q2 verrät Audi noch nicht, allerdings dürfte der 115-PS-Benziner vermutlich bei rund 23 000 Euro starten. Der Konkurrent Mini Countryman ist mit knapp 100 PS schon ab 20 400 Euro zu haben. Fragt man die Audi-Verantwortlichen, wer den Q2 kaufen soll, dann verweisen sie auf eine junge Kundschaft. Es fallen Worte wie "Fun" und "Fashion". Aber ob bei dem schicken Q2 mit seiner hohen Sitzposition nicht auch viele Ältere zugreifen? Innen beeindruckt das gerade einmal 4,19 Meter lange SUV zudem mit viel Platz: Auf der Rückbank lässt es sich mit 1,80 Meter Körpergröße bequem sitzen, ohne bei Bodenwellen mit dem Kopf am Dach anzuschlagen - auch den Knien bleibt genug Raum.

Technik gibt es im Q2 reichlich: Optional ist etwa das geniale Virtual Cockpit bestellbar, dessen 12,3-Zoll-Bildschirm die analogen Instrumente ersetzt. Per Wlan-Hotspot können sich die Passagiere über das Auto mit dem Internet verbinden. Eine eingebaute SIM-Karte ermöglicht die Nutzung der vielen On-Board-Datendienste. Mit einer speziellen Audi-App können sogar Kalendertermine ins Auto übertragen werden. Ebenso kann man auf dem Handy ein Ziel auswählen und an das Navi verschicken, das dann die Route berechnet. Vorausgesetzt, man fährt nicht gerade auf Kuba - denn mobiles Internet gibt es hier größtenteils nicht.