„Sie verwalten den Mangel“

29.08.2014 | Stand 25.04.2020, 3:48 Uhr

Berlin (DK) Hellmut Konigshaus, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, spricht im Interview uber die Ausrustungsdefizite der Bundeswehr.

Herr Konigshaus, die Bundesregierung bereitet die Lieferung von Waffen aus Bundeswehr-Bestanden an die Kurden im Irak vor. Die Entscheidung steht unmittelbar bevor. Wie erleben Bundeswehr-Soldaten die Debatte uber den Krieg im Irak?

Hellmut Konigshaus: Die Soldaten werden die Entwicklung sicherlich aufmerksam verfolgen. Aber es ist wohl noch zu fruh fur ein Stimmungsbild. Es geht ausdrucklich nicht um eine militarische Intervention im Irak. Es wird eine Lieferung von Material vorbereitet. Jetzt kommt es darauf an, dass das Material auch in die richtigen Hande gelangt. Und dass die internationale Gemeinschaft den Verbleib kontrollieren kann.

Es ist der Eindruck entstanden, dass wahrscheinlich vor allem ausgemustertes Material der Bundeswehr geliefert werden konnte.

Konigshaus: Es stimmt, dass der Ausrustungsbestand der Bundeswehr uberaltert ist. Darauf habe ich wiederholt hingewiesen. Durch regelmaßige Wartung und Instandsetzung werden Waffensysteme muhsam brauchbar gehalten. Ich weiß nicht, ob das Material, was jetzt geliefert wird, wirklich auf Dauer einsetzbar ist.

Die Politik spricht davon, dass Deutschland sicherheitspolitisch mehr Verantwortung in der Welt ubernehmen soll, bei der Ausrustung der Bundeswehr bestehen offenbar erhebliche Defizite. Klaffen hier nicht Anspruch und Wirklichkeit auseinander?

Konigshaus: Das mussen Sie die zustandigen Mitglieder der Bundesregierung und die Abgeordneten des Bundestages fragen. Im Prinzip gibt es nur zwei Moglichkeiten: Entweder Umfang und Ausstattung der Streitkrafte werden den Anforderungen der Politik an die Truppe angepasst, oder eben umgekehrt.

Nach Medienberichten ist die Bundeswehr, insbesondere die Luftwaffe, wegen technischer Probleme und Uberalterung der Maschinen nur bedingt einsatzbereit. Wie dramatisch sind die Probleme?

Konigshaus: Gravierende Probleme gibt es vor allem bei der Luftwaffe. Wir haben nur begrenzt Lufttransportkapazitaten zur Verfugung. Man hat geglaubt, dass der Airbus A400 M viel schneller geliefert wurde, und hat deshalb die Transall-Maschinen nicht mehr modernisiert. Das racht sich jetzt. Die politische und die militarische Fuhrung sind sich des Problems bewusst. Sie verwalten jetzt den Mangel.

Zeigen die aktuellen Krisen von der Ukraine bis zum Nahen und Mittleren Osten nicht, dass die Ausrustung der Bundeswehr schnell in Ordnung gebracht werden muss?

Konigshaus: Darauf habe ich in meinen Berichten immer wieder aufmerksam gemacht. Leider sind daraus keine Konsequenzen gezogen worden. Die Forderung nach Modernisierung des Bestands, die Grundausstattung in der Heimat, ist erst in jungster Zeit in den Vordergrund geruckt. Am Anfang war es wichtig, die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gut auszustatten. Wir brauchen jetzt eine Erneuerung von Kasernen, Fahrzeugpark und Bewaffnung. Viele Bundeswehrfahrzeuge mussten hinter dem Y auf dem Nummernschild noch ein H fur historisch haben.

Ist es Zeit fur eine Erhohung des Verteidigungsetats?

Konigshaus: Erneuerung kostet Geld. Das weiß jeder. Wir benotigen eine Modernisierungsoffensive, ein Investitionsprogramm fur die Bundes- wehr. Es geht um einen Milliardenbetrag, der ausgegeben werden musste, um die Streitkrafte leistungsfahig zu halten.

Die deutsche Rustungsindustrie klagt aktuell uber Absatzschwierigkeiten. Droht der Branche jetzt das Aus?

Konigshaus: Nein, das hoffe ich ausdrucklich nicht. Die Erneuerung des Materials der Bundeswehr ist eine Chance fur die deutsche wehrtechnische Industrie. Wir durfen nicht zu- lassen, dass die Wehrindustrie in Deutschland den Bach runtergeht. Niemand weiß, was die Zukunft bringt und wie sich die Weltlage entwickelt. Bei der Versorgung mit Rustungsgutern sollte man nicht auf andere angewiesen sein.

DK

Der FDP-Politiker Hellmut Konigshaus ist Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags. Die Fragen stellte Andreas Herholz.