Seoul
Das andere Gesicht Nordkoreas

Kim Jong Uns Schwester absolviert bei den Olympischen Spielen ihren ersten diplomatischen Auftritt

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Seoul (AFP) Kaum bekannt in der Öffentlichkeit, schrieb Kim Yo Jong am Freitag Geschichte: Als erstes Mitglied der nordkoreanischen Kim-Dynastie seit dem Waffenstillstand von 1953 betrat die Schwester von Machthaber Kim Jong Un südkoreanisches Territorium.

Sanft lächelnd traf die etwa 30-jährige Frau im schwarzen Wintermantel am Flughafen von Incheon ein - als Teil einer hochrangigen nordkoreanischen Delegation, die anlässlich der Olympischen Winterspiele ins verfeindete Nachbarland reiste.

Kim Yo Jong war der Weltöffentlichkeit lange Zeit unbekannt. Erst bei der Beerdigung ihres Vaters Kim Jong Il 2011 trat sie prominent in Erscheinung. Nachdem Kim Jong Un die Nachfolge des Vaters angetreten hatte, kletterte sie rasch die Karriereleiter empor - für Frauen in Nordkorea ein seltenes Privileg.

Kim Yo Jong und Kim Jong Un sind zwei von drei Kindern aus der dritten Ehe von Kim Jong Il, ihre Mutter war die frühere Tänzerin Ko Yong Hui. Inzwischen gilt Kim Yo Jong als Kronprinzessin: Der Machthaber sieht seine jüngere Schwester, die wie er selbst in der Schweiz ausgebildet wurde, zu Höherem befähigt und weist ihr immer mehr wichtige Aufgaben zu. Mit dem Besuch in Südkorea betrat Kims Schwester erstmals diplomatisches Parkett.

Ihr Einfluss auf ihren Bruder Kim soll erheblich sein: "Sie ist eine von wenigen Menschen, die mit Machthaber Kim frei über alles sprechen können", sagt Yang Moo Jin, Professor an der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul. Sie habe deutlich mehr Einfluss auf Entscheidungen als jeder andere in Nordkorea.

Im Staatsapparat ist Kim Yo Jong in wichtigen Gremien vertreten. Sie ist alternierendes Mitglied des Politbüros des mächtigen Zentralkomitees der Staatspartei und mit Propaganda-Aufgaben betraut.

Mit 27 Jahren wurde sie in die Oberste Volksversammlung gewählt, das nordkoreanische "Parlament". Damit stach sie ihre einst mächtige Tante Kim Kyong Hui aus, die erst mit 44 Jahren in die Volksversammlung eingezogen war.

Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf Kim Yo Jong. Die junge Frau gilt als eigentliche Chefin der nordkoreanischen Delegation in Südkorea. Formal wird die Delegation zwar vom protokollarischen nordkoreanischen Staatsoberhaupt Kim Yong Nam angeführt. "Aber Kim Yo Jong wird de facto die Delegation leiten", sagt der Politikexperte Cheong Seong Chang vom Sejong-Institut in Seoul.

Der um Entspannung bemühte südkoreanische Präsident Moon Jae In schüttelte am Freitag den ranghohen nordkoreanischen Besuchern die Hand. Er sieht die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang als Chance zur Annäherung zwischen den koreanischen Staaten, die 1953 zwar einen Waffenstillstand schlossen, aber sich bis heute im Kriegszustand befinden.

Aus Sicht von Kritikern bietet Moon den Nordkoreanern eine Plattform für Propagandazwecke. "Indem er Kim Yo Jong schickt, vollendet Kim Jong Un diesen Plan", schrieb die konservative, südkoreanische Zeitung "Chosun" in einem Kommentar.

Bei der Olympia-Eröffnungsfeier im Stadion von Pyeongchang saß Kim Jong Uns Schwester hinter Moon, US-Vizepräsident Mike Pence und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe auf der Ehrentribüne. Ihre Sitznachbarin zur Linken kam aus Deutschland: Elke Büdenbender, die Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. ‹ŒKommentar Seite 2