Rom
Palästinenser bringen US-Regierung in Bedrängnis

Mit hektischer Krisendiplomatie versucht Washington, die Anerkennung Palästinas als eigener Staat hinauszuschieben

15.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:51 Uhr

Rom (AFP) Die Entscheidung der Palästinenserführung, dem UN-Sicherheitsrat bereits in dieser Woche eine ultimative Resolution zur Lösung des Nahostkonflikts vorzulegen, hat hektische diplomatische Aktivitäten ausgelöst. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der gestern in Rom zu einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry eintraf, lehnte jegliches „einseitige Diktat einer Fristsetzung“ ab. „Wir werden jeden Ansatz zurückweisen, der islamistischen Terror mitten in unsere Heimat bringt“, sagte Netanjahu. Kerry war am Abend zudem in Paris mit den Außenministern Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens sowie der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini verabredet, um nach Lösungen zu suchen, die ein Veto der USA gegen einen Beschluss des Sicherheitsrates überflüssig machen könnten. Aus demselben Grund will er heute in London Vertreter der PLO und der Arabischen Liga treffen.

Diskutiert wurde insbesondere über die Möglichkeit, dass die PLO ihren Entwurf zugunsten einer moderateren Resolution zurückzieht, die von Paris in Absprache mit Berlin und London vorbereitet wurde. Während der formal von Jordanien eingebrachte Text der Palästinenser eine Beendigung der Besetzung des Westjordanlands binnen zwei Jahren fordert, sieht der französische Entwurf dieselbe Frist zur Aushandlung eines umfassenden Friedensabkommens vor.

Die PLO-Führung hatte am Sonntagabend bei einer Dringlichkeitssitzung im Amtssitz von Präsident Mahmud Abbas entschieden, morgen gemeinsam mit arabischen Staaten im Sicherheitsrat den Resolutionsentwurf zur Beendigung der israelischen Besetzung vorzulegen. Die Beschleunigung dieser schon länger vorbereiteten Initiative war eine Reaktion auf den Tod eines ranghohen palästinensischen Funktionärs, der nach einem Armee-Einsatz gegen eine Demonstration gestorben war.

Kerry wollte im Gespräch mit Netanjahu ausloten, welchen Spielraum es gibt, um neue Friedensinitiativen auf den Weg zu bringen. Da in Israel nach dem Auseinanderbrechen der Mitte-Rechts-Koalition Anfang des Monats vorgezogene Neuwahlen anstehen, bei denen der amtierende Ministerpräsident eine Koalition des rechten Lagers mit den ultraorthodoxen Parteien anstrebt, sind von ihm gegenwärtig aber keine Kompromissangebote zu erwarten.

Delegationsmitglieder Kerrys sagten mitreisenden Journalisten, der US-Außenminister wolle auch mehr über die europäische Initiative erfahren, die Washington in eine Zwickmühle bringen könnte. Es sei noch keine Entscheidung gefallen, wie die US-Regierung mit der von der EU gestützten französischen Resolution umgehen werde. Bisher haben die USA im UN-Sicherheitsrat immer von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht, wenn eine Resolution zuungunsten ihres engen Verbündeten Israel ausfiel.

Doch seit im April die Nahostfriedensgespräche zu keinerlei Ergebnis führten und Israel seine Siedlungspolitik im Westjordanland und Ost-Jerusalem unvermindert fortsetzte, ist in Europa die Ungeduld gewachsen. Dazu trug auch der siebenwöchige Gaza-Krieg im Sommer bei. Als erstes westliches EU-Mitgliedsland hatte Schweden Ende Oktober daraufhin den Staat Palästina anerkannt. Die Parlamente Großbritanniens, Spaniens, Irlands, Frankreichs und zuletzt am Freitag Portugals verabschiedeten entsprechende – allerdings eher symbolische – Resolutionen.

Die US-Regierung fürchtet, mit einem Veto die arabischen Verbündeten zu verprellen, mit denen sie eine Allianz gegen den Vormarsch der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) gebildet hat. Heute will Kerry deshalb neben dem palästinensischen Chefunterhändler Sajeb Erakat auch den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, treffen.