London
Absurdes Säbelrasseln

Brexit lässt alten Streit zwischen Großbritannien und Spanien um Gibraltar wieder aufleben

03.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:22 Uhr

London (DK) Der Streit zwischen Großbritannien und Spanien um die britische Kronkolonie Gibraltar trägt Züge des Absurden. Am Sonntag hatte Michael Howard, der ehemalige Vorsitzende der Konservativen Partei, angedeutet, dass Großbritannien bereit wäre, wegen der Rechte an Gibraltar in den Krieg zu ziehen.

Gestern erklärte der spanische Außenminister Alfonso Dastis, man sei "überrascht über den Ton der Kommentare, die aus Großbritannien kommen. Es scheint, dass jemand seine Fassung verliert."

Anlass des Streits sind die Leitlinien, die der EU-Ratspräsident Donald Tusk für die Brexit-Verhandlungen vorgegeben hat. Darin heißt es, dass Spanien ein Veto bei Entscheidungen über Gibraltar hat. Das kam in Großbritannien gar nicht gut an. Man werde, erklärte Premierministerin Theresa May, für Gibraltar "das bestmögliche Ergebnis" beim Brexit erreichen und es nicht zulassen, dass die britische Enklave "gegen den frei und demokratisch ausgedrückten Willen der Einwohner" unter andere, sprich spanische, Kontrolle gerate.

Gibraltar ist seit mehr als 300 Jahren ein steter Streitpunkt zwischen den beiden Nationen. Die Halbinsel am Eingang zum Mittelmeer steht seit 1704 unter britischer Souveränität und wurde 1713 im "Frieden von Utrecht" von Spanien offiziell der britischen Krone übertragen. Spanien hat seither stets versucht, sich den "Affenfelsen" wieder einzuverleiben. Mehrere militärische Belagerungen im 18. Jahrhundert oder Grenzschließungen in den Jahren unter Franco hatten keinen Erfolg. Großbritannien will mit Spanien nicht über die Souveränität von Gibraltar verhandeln, weil es sich auf den Standpunkt stellt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Einwohner Vorrang hat. Bei der letzten Volksabstimmung von 2006 stimmten knapp 18 000 Bürger für einen Verbleib bei Großbritannien, während lediglich 187 Personen eine gemeinsame spanisch-britische Souveränität in Erwägung ziehen wollten. In den letzten Jahren kam es wiederholt zu Spannungen, nachdem Gibraltar auf Fischereirechte in einer Dreimeilenzone besteht und regelmäßig spanische Fischerboote aufbringt.

Die jüngsten emotionsgeladenen Reaktionen auf britischer Seite verwechselten allerdings die Souveränität von Gibraltar mit dem Vetorecht Spaniens bei einem möglichen Brexit-Deal. Laut den Tusk-Leitlinien kann ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU nur dann Gültigkeit in Gibraltar bekommen, wenn es darüber "ein Einvernehmen zwischen dem Königreich von Spanien und dem Vereinten Königreich" gibt. Das würde Spanien de facto eine Mitsprache erlauben, bedeutet aber nicht, dass der "Affenfelsen" zurückgegeben werden müsste. Allerdings wären Verhandlungen zu erwarten über die lediglich zehnprozentige Unternehmenssteuer in Gibraltar etwa oder den Status des Flughafens.

Der Elder Statesman Michael Howard hatte das Beispiel der Falklands ins Spiel gebracht, als er am Sonntag schwadronierte, dass "vor 35 Jahren eine andere weibliche Premierministerin eine Kriegsflotte um die halbe Welt schickte, um die Freiheit einer anderen kleinen Gruppe von Briten gegen ein anderes spanisch-sprechendes Land zu verteidigen". Damit handelte er sich umgehend eine Rüge vonseiten der Opposition ein. Labours außenpolitische Sprecherin Emily Thornberry verurteilte Howards "aufrührerische Kommentare", während der Chef der Liberaldemokraten Tim Farron von einem "absolut lächerlichen Säbelrasseln" sprach.

Boris Johnson, der britische Außenminister, unterstrich gestern nochmals, dass die Souveränität nicht zur Disposition stünde. Der Top-Diplomat wird sich ungern an seinen Beitrag in der letzten Krise erinnern, als Spanien 2013 den Grenzverkehr dichtmachte und Johnson, damals noch London-Bürgermeister und Zeitungskolumnist, tönte: "Wir werden bald die spanischen Hände von der Kehle unserer Kolonie loseisen." Downing Street jedenfalls beeilte sich gestern zu versichern, dass die Entsendung einer Kriegsflotte "nicht passieren wird".