Hamburg
Magere Bilanz

Merkel steht nach dem G 20-Gipfel mit weitgehend leeren Händen da

09.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:49 Uhr

Gipfel-Gastgeberin Angela Merkel ist in Hamburg wie selten zuvor an ihre Grenzen gestoßen. - Foto: Stollarz/AFP

Hamburg (DK) Donald Trump zog gestern eine eigenwillige Bilanz. "Der G 20-Gipfel war ein wunderbarer Erfolg und wunderschön ausgerichtet von Angela Merkel", twitterte der US-Präsident. Die Wahrheit ist: Während auf den Straßen der Hansestadt die Gewalt eskalierte, gab es auch in den Messehallen erbitterten Streit und "außergewöhnlich harte Verhandlungen", wie die Kanzlerin selbst resümierte.

Mit weitgehend leeren Händen musste Angela Merkel schließlich vor die Weltpresse treten. Den mühsam erkämpften Klimaschutz-Schulterschluss der "G 19" gegen Trump sprengte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nur wenige Minuten später wieder auf. Ist also alles umsonst gewesen?

Mit dem Ruf als "Anführerin der westlichen Welt" war Merkel in den großen G 20-Showdown gestartet. Nach drei harten Tagen ist von dem Glanz wenig übrig geblieben. In der Zeit des "Trumpismus" stieß die Gipfelregisseurin wie selten zuvor an ihre Grenzen. Die Bilanz gleicht eher einem politischen Scherbenhaufen. Merkels Fazit, an vielen Stellen sei deutlich geworden, "dass wir zusammen mehr erreichen können als alleine", besteht den Realitätscheck nur begrenzt.

Fortschritte beim Klimaschutz - das war Merkels wichtigstes Ziel. Bis zur letzten Minute war in Hamburg um einen Kompromiss gerungen worden. Am Ende bekannten sich alle außer den USA zur "unumkehrbaren" Paris-Agenda. Erstmals in der G 20-Geschichte wird ein Dissens festgehalten. Trump verhandelt sogar eine Passage in den Text, in der die USA ihr Festhalten an Kohle und Flüssiggas betonen, was dem Paris-Abkommen Hohn spricht.

Die Tinte unter dem Kommuniqué war kaum getrocknet, als Erdogan schon wieder ausscherte: Er denke nicht daran, das Klimaabkommen ratifizieren zu lassen, "solange die Versprechen, die man uns gegeben hat, nicht eingehalten werden". Retourkutsche für die Kanzlerin, die Erdogan in Hamburg nicht zu seinen Landsleuten sprechen lassen wollte? Schon mit dem Schwänzen des Konzerts in der Elbphilharmonie hatte Erdogan Merkel vor den Kopf gestoßen. Beim Klimaschutz geht es dem türkischen Präsidenten darum, das sein Land als Schwellen- und nicht als Industriestaat eingestuft wird. Dann nämlich könnte er in den Umweltfonds greifen, anstatt einzahlen zu müssen. Aus dem 19:1 ist ein 18:2 geworden. Wichtiger als Erdogans Quertreiberei war aber, dass die großen Akteure wie China, Japan und Russland beim Klimaschutz an Bord gehalten werden konnten - das ist ein Erfolg für die Kanzlerin.

Im Handelsstreit gab es nur auf den ersten Blick Entspannung. Ja, im Abschlusskommuniqué bekennt sich auch Trump zu freiem Welthandel. Doch was taugt die Absage an den Protektionismus, wenn gleichzeitig "Verteidigungsinstrumente" für die heimische Wirtschaft im selben Text ausdrücklich gebilligt werden? Brüssel rüstet sich jedenfalls weiter für Gegenmaßnahmen, sollte Trump Strafzölle gegen Stahl-Importe aus Europa verhängen.

Um Afrika zu stützen, stellten sich die G 20 in den Messehallen hinter Merkels Initiative für neue Partnerschaften mit reformorientierten Staaten. Neben der klassischen Entwicklungshilfe sollen dadurch Investitionen der Privatwirtschaft angekurbelt werden. Experten sehen den Vorstoß skeptisch, weil er aus ihrer Sicht vor allem den Investoren dient. Ob der in Hamburg ins Leben gerufene Fonds zur Förderung des Unternehmertums von Frauen in Entwicklungsländern weit trägt, ist ebenfalls offen. Die 325 Millionen Dollar, die Merkel und Trump-Tochter Ivanka - Initiatorin des Fonds - bislang einsammeln konnten, sind allenfalls eine Anschubfinanzierung.

Das Miteinander-Reden wurde in den Hamburger Messehallen immer wieder als wichtiger Mehrwert des Gipfels heraufbeschworen, auch von Gastgeberin Merkel selbst. "Ohne Hamburg müssten wir uns um die Entwicklung in den kommenden zwei Jahren mehr Sorgen machen", zog EU-Kommissar Günther Oettinger denn auch eine positive Gesamtbilanz. Ganz anders urteilt die Opposition. Das Fazit von Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht: "Im Grunde kann die Lehre nur sein, in Zukunft auf solche Show-Veranstaltungen, die sinnlos Steuergeld verschlingen und keine Ergebnisse bringen, ganz zu verzichten."