Berlin
Ein Leben lang versehrt

Terroropfer sollen mehr Entschädigungen und Unterstützung bekommen

13.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr
ARCHIV - Zahlreiche Kerzen stehen am 18.05.2017 an der Gedenkstelle für die Opfer des Anschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin. (zu dpa «Kurt Beck: Hinterbliebene vom Berlin-Anschlag «hoch traumatisiert»» vom 28.06.2017) Foto: Sophia Kembowski/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit −Foto: Sophia Kembowski (dpa)

Berlin (DK) "Die Bundesregierung darf die Verletzten und Hinterbliebenen eines Anschlages nicht allein lassen!" Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verkündet gestern eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch nach dem bislang schwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland vor einem Jahr auf dem Berliner Breitscheidplatz war der Staat dieser Aufgabe nicht gewachsen, auf eine angemessene Betreuung der Betroffenen nicht wirklich vorbereitet. Das macht der Abschlussbericht, den der Bundesopferbeauftragte Kurt Beck gestern vorgelegt hat, sehr deutlich. "Es gab Ereignisse, die sich nicht wiederholen dürfen", prangert Beck Versäumnisse und fehlende Hilfestellung in den Stunden und Tagen nach dem Horror auf dem Weihnachtsmarkt an.

"Schmerz, Entsetzen und Wut" hätten die Betroffenen darüber empfunden, gibt Beck einen Einblick in die Not.

Am Morgen hatte der Opferbeauftragte dem geschäftsführenden Kabinett einen Forderungskatalog übergeben, der nun auch rasch umgesetzt werden soll, wie Justizminister Maas ankündigte. Die wichtigsten Vorschläge des 35 Seiten starken Berichtes: Eine "deutlich" höhere Entschädigung für Hinterbliebene, die bislang für den Verlust eines Angehörigen eine Härteleistung von 10 000 Euro erhalten. Der Aufbau von zentralen Anlaufstellen für Betroffene bei Bund und Ländern sowie von Standby-Teams, die nach einem Anschlag sofort vor Ort als Ansprechpartner bereitstehen sollen, "um die Menschen aufzunehmen, sie dürfen nicht herumirren". Und Beck will sicherstellen, dass es materielle Entschädigung auch gibt, wenn die Tat nicht mit einem Fahrzeug verübt worden ist, was nach derzeitiger Rechtslage nicht der Fall wäre. Erreichen will er nicht zuletzt, dass ausländische Betroffene genauso gestellt werden wie deutsche.

Der Tunesier Anis Amri war am Abend des 19. Dezember vergangenen Jahres mit einem gekaperten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gerast, hatte zwölf Menschen getötet und fast 100 Menschen verletzt. Viele von ihnen blieben ein Leben lang versehrt, sagte Beck. Der Terroranschlag habe "unsagbares Leid" verursacht, "das wir gar nicht bemessen können", erklärte Maas. "Die Menschen sind stellvertretend für uns alle getroffen worden", so der Justizminister. Bei der Begleitung der Opfer "wollen wir besser werden", kündigt er an.

Mehr Geld und mehr Hilfestellung - damit soll es jetzt ganz schnell gehen. Gestern im Bundestag wurde über einen gemeinsamen Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen beraten, um die Opferentschädigung zu verbessern und die Beck-Vorschläge umzusetzen. "Die Betroffenen brauchen Hilfe aus einer Hand", sagte Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Zwar könne eine bessere finanzielle Entschädigung nie wiedergutmachen, was Opfer und Angehörige erleiden müssten, fügte er an. Gleichwohl sei es überfällig, für eine bessere Entschädigung zu sorgen.

Vor Kurzem hatten Angehörige von zwölf Todesopfern Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem offenen Brief Untätigkeit und politisches Versagen vorgeworfen und damit ihre Verbitterung gezeigt, dass sie nicht persönlich kondoliert hatte. Beck zeigte dafür Verständnis. Viele hätten eine staatliche Anerkennung ihres Leids vermisst, es gebe Nachholbedarf. Die Kanzlerin selbst hatte am Dienstagabend überraschend den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz besucht und der Opfer gedacht.