Berlin
Merkel enttäuscht von SPD

Sozialdemokraten setzen sich durch: Bundestag entscheidet morgen über Ehe für alle

28.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Berlin (DK) Jubel bei Rot-Rot-Grün, die Regenbogenflagge wird im Rechtsausschuss geschwenkt - Unmut und schlechte Stimmung der Union im Bundestag. Viele Abgeordnete fühlen sich von Kanzlerin Angela Merkel überrumpelt und von der SPD ausgetrickst: Die Abstimmung über die Ehe für alle morgen im Bundestag wird zum großen Showdown der Legislaturperiode.

Angela Merkel selbst meldet sich zu Wort, geht scharf mit der SPD und deren Kanzlerkandidat Martin Schulz ins Gericht, die die Abstimmung im Eiltempo erzwungen haben: "Wir sprechen hier nicht über eine gesetzliche Fußnote, sondern über Artikel 6 unseres Grundgesetzes und eine Entscheidung, die die tiefsten Überzeugungen von Menschen und Ehe, einem Grundpfeiler unserer Gesellschaft, berührt", so die Kanzlerin in einem Interview. "Mir ist es fremd, wie eine solche Entscheidung genau in dem Moment, als sich die realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen ergab, in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde", so die Kanzlerin. "Das ist traurig, und vor allem auch völlig unnötig."

Die Genossen freuen sich dagegen diebisch über ihren Coup, wollen ihren Triumph und die Mehrheit im Bundestag für die Ehe für alle nicht mehr riskieren. "Es besteht absolute Präsenzpflicht", schrieb Christine Lambrecht, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, gestern an die Abgeordneten mit Blick auf die Abstimmung am Freitag. "Wir haben gemeinsam mit Grünen und Linken nur 10 Stimmen Vorsprung vor der Union", so die Warnung in Lambrechts Rundmail an die Fraktion.

Am Morgen hatte der Rechtsausschuss des Bundestages mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei den Weg für die namentliche Abstimmung freigemacht. Damit hat die SPD den Ehe-Krach in der großen Koalition besiegelt. Auch wenn Verfassungsrechtler weiter bezweifeln, dass die Ehe für alle ohne Grundgesetzänderung im Eiltempo eingeführt werden kann, soll es ganz schnell gehen: Zunächst sollen die Abgeordneten morgen im Bundestag darüber abstimmen, ob das Thema auf die Tagesordnung genommen wird. Dafür ist die rot-rot-grüne Mehrheit notwendig, weil die Union hier geschlossen mit Nein stimmen wird. Weil bei der späteren Abstimmung über das Gesetz auch mehrere CDU-Abgeordnete dafür stimmen dürften, gilt eine Mehrheit dabei als sicher.

Merkel hatte der SPD die Chance eröffnet, als sie die Ehe für alle am Montagabend in einer Talkrunde zur Gewissensfrage erklärt und das kategorische Nein der Union damit im Alleingang kassiert hatte. Die vielen Gegner der Homo-Ehe in den Reihen der Union schäumen, sind sauer auf die Kanzlerin. Die habe die Fraktion am Dienstag vor vollendete Tatsachen gestellt, als sie den Fraktionszwang für die Abstimmung aufgehoben habe, verlautete aus der Fraktionsspitze. Merkel habe der SPD eine Steilvorlage geliefert, ihr sei das Thema "völlig entglitten". CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach legte nach: "Insbesondere waren wir darüber überrascht, dass dieser erhebliche Politikwechsel im Rahmen eines Gesprächs der Zeitschrift €šBrigitte' verkündet wurde, nicht etwa als Ergebnis ausführlicher, sehr gründlicher Beratungen in der Partei und in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion", sagte er.