Berlin
Griff in die Reservekasse

Schäuble will an die gehorteten Milliarden des Gesundheitsfonds

07.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:31 Uhr

Berlin (DK) Bei der Milliardensuche ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fündig geworden: Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) soll einen Großteil der Einsparbeträge liefern, die zur Erfüllung der Haushaltsziele 2014 noch fehlen. Der wehrt sich: „Wir haben mit 4,5 Milliarden Euro unseren Sparbeitrag geleistet“, ließ er einen Sprecher erklären.

Jetzt seien die anderen Ressorts gefragt. Doch die Chancen, dass die Milliarden-Reserven des Gesundheitsfonds unangetastet bleiben, sind gering.

Experten befürchten, dass die Sparpolitik zu Lasten der Versicherten gehe: Bereits 2015 könnten die umstrittenen Zusatzbeiträge wieder fällig werden, warnt Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. „Die schwarz-gelbe Bundesregierung kann ihre Haushaltsziele nur noch durch tiefe Griffe in die Sozialkassen erreichen“, sagt SPD-Fraktionsvize Joachim Poß.

Union und FDP hatten beim Koalitionsausschuss im November den Sparkurs verschärft – nicht zuletzt auf Druck der FDP. Bereits im Jahr 2014 soll der Bundeshaushalt ohne strukturelles Defizit auskommen, Schulden sollen nur noch aus konjunkturellen Gründen aufgenommen werden oder für einmalige Zahlungen wie an den Euro-Rettungsfonds ESM. Gut vier Milliarden Euro, so der letzte Stand, fehlen noch, um dieses Sparziel zu erreichen. Eine Haushaltsklausur aller Ressorts hat noch keine Lösung gebracht: Statt Sparvorschläge zu machen, fordern einige Ressorts gar mehr Geld.

Die hohen Milliardenreserven des Gesundheitsfonds galten schon lange als bevorzugtes Objekt des Finanzministeriums zur Erfüllung der Sparziele. Steffen Kampeter (CDU), Schäubles Parlamentarischer Staatssekretär hatte jetzt die Katze aus dem Sack gelassen: „Es macht wenig Sinn, ein Defizit im Haushalt und gleichzeitig hohe Überschüsse in der Gesundheitskasse zu haben“, hatte er in einem Interview erklärt.

Damit war die Stoßrichtung klar: Der Gesundheitsfonds, der bis Ende 2012 mehr als zwölf Milliarden Euro gebunkert hat, soll geplündert werden. Um weitere zwei Milliarden Euro, so heißt es, könnte der Bundeszuschuss 2014 gekürzt werden. Bisher hatte Gesundheitsminister Bahr für 2013 und 2014 auf insgesamt 4,5 Milliarden Euro verzichten müssen. Der Steuerzuschuss zur Krankenversicherung ist seit dem Jahr 2010 kontinuierlich gesunken: Von 15,7 Milliarden Euro auf derzeit 11,5 Milliarden Euro. Mit der neuen Kürzung würden es im kommenden Jahr nur noch zehn Milliarden Euro sein. Um die restlichen Spar-Milliarden aufzubringen, könnten notfalls alle Ressorts nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel herangezogen werden.

Der Aderlass beim Gesundheitsfonds würde zunächst keine Auswirkungen haben, sind die Reserven doch ausreichend. Aber bereits 2015, so vermutet Gesundheitsökonom Wasem, wäre die Finanzausstattung zu gering: Dann müssten die Versicherten wieder mit Zusatzbeiträgen rechnen. Doris Pfeiffer, Chefin des Krankenkassen-Spitzenverbands warnte, die Ausgaben für Krankenhäuser, Ärzte und Arzneimittel würden schneller als die Einnahmen steigen.

Im Gesundheitsministerium wird hinter vorgehaltener Hand auf andere Rücklagen verwiesen: So hat auch die Rentenversicherung ein hohes Finanzpolster von nahezu 30 Milliarden angesammelt. Doch daran will das Finanzministerium nicht rühren: Eine denkbare Debatte über Rente nach Kassenlage werde man im Wahljahr vermeiden, heißt es dort.