Berlin
"Andrea Nahles, bitte übernehmen Sie"

Umbruch bei der SPD: Parteichef Martin Schulz gibt sein Amt auf und beschränkt sich auf das Außenministerium

07.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Berlin (DK) Am Abend bestätigt er es selbst: Martin Schulz macht den Weg frei und kündigt an, die Parteiführung nach nur knapp einem Jahr an die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles zu übergeben. Er selbst will nach dem Mitgliederentscheid der SPD-Basis als Parteichef zurücktreten und als Außenminister in ein mögliches Kabinett Merkel.

Auf den Posten des Vizekanzlers verzichtet Schulz.

"Ich habe bei dieser Entscheidung nicht primär den Mitgliederentscheid im Blick gehabt, sondern die Zukunft der Partei", erklärte Schulz gestern Abend im Willy-Brandt-Haus. Er habe die Hoffnungen der Partei auf Erneuerung nicht erfüllen können, begründete er seine Entscheidung. "Ich habe alles gegeben, was ich geben konnte, bin dennoch mit einem sehr schlechten Ergebnis zurück in dieses Haus gekommen", sagte Schulz. Nun müsse jemand übernehmen, "der das Amt besser ausfüllen kann als ich". Ein Stoßseufzer der Erleichterung geht durch die Partei. Die Genossen setzen große Hoffnungen auf die 47-Jährige. "Andrea Nahles, bitte übernehmen Sie", hieß es in den letzten Tagen bei den Genossen. Nahles sei Hammer und Amboss zugleich, sagt Schulz bei der Pressekonferenz über seine Nachfolgerin. Sie könne Schläge austeilen, aber auch auffangen, trete klar auf und bringe gleichzeitig die Menschen zusammen.

Erstmals in der Geschichte der traditionsreichsten Partei soll damit eine Frau das Steuer übernehmen. Aufbruch für die SPD, Powerfrau Nahles ganz oben: Die personelle Neuaufstellung dürfte für viele Mitglieder, die jetzt über die große Koalition abstimmen können, genauso wichtig sein wie die Ergebnisse im Koalitionsvertrag. "Hauptsache, Schulz räumt das Feld!", sagt einer aus der Bundestagsfraktion hinter vorgehaltener Hand. Nahles selbst bleibt wortkarg, spricht von Abwägungen und Herausforderungen. Sie soll die Führung der traditionsreichen Partei auf einem historischen Tiefpunkt übernehmen.

Schulz' Rückzug von der Parteispitze und die Rettung ins Außenamt mögen überraschend erscheinen, ernst zu nehmende Alternativen waren ihm nicht geblieben. Das doppelte Umfallen - vom Nein zum Ja zur Groko, von der Absage zum Griff nach dem Posten im Kabinett Angela Merkel - waren das eine. Seine schwachen Auftritte bei den Sondierungen, seine Selbstverteidigungsrede auf dem Parteitag, seine Überforderung in den Koalitionsverhandlungen kamen hinzu, sorgten dafür, dass seine letzten Getreuen den Glauben in den einstigen Hoffnungsträger verloren hatten. Die Forderungen der vergangenen Tage, Schulz möge auf einen Kabinettsposten verzichten, hatten ihn weiter in die Defensive gebracht. Statt Frühstücksdirektor in der SPD-Zentrale will er jetzt als Außenminister seinen ramponierten Ruf retten.

Nahles wird nun zum unangefochtenen Kraftzentrum der Genossen. Als Parteichefin wäre sie nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden, hätte die notwendige Beinfreiheit, auch mal die Kanzlerin zu attackieren und das SPD-Profil zu schärfen. Dass Schulz selbst noch mal zum wichtigen Player in der SPD werden könnte, ist dagegen kaum zu erwarten.

Nicht zu erwarten ist auch, dass die ramponierte Freundschaft von Schulz und Noch-Außenminister Sigmar Gabriel in absehbarer Zeit repariert werden könnte. Schulz hatte Gabriel 2016 erpresst, wollte die Kanzlerkandidatur nur dann übernehmen, wenn Gabriel ihm auch den Parteivorsitz überlasse. Rückblickend war das ein großer Irrtum. Und Ex-Parteichef Gabriel steht nun mit völlig leeren Händen da.