Manching
Auch der Lack muss runter

Die Bundeswehr will ihre Tornado-Jets noch mindestens 20 Jahre in Betrieb halten. Dafür zuständig, dass das funktioniert, ist das Manchinger Airbus-Werk. Ein Besuch in der Tornado-Wartungshalle.

24.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:00 Uhr

Präzisionsarbeit: Airbus-Beschäftigte überholen die Tragfläche eines Tornado-Jets. - Foto: Eberl

Manching (DK) Langsam öffnet sich das riesige Tor. Aus dem Regen rangiert ein Tornado-Kampfflugzeug in die Halle. Es quietscht erbärmlich. "Das ist der Boden", sagt Dieter Sand und schaut dabei sehr zufrieden aus. Er ist dafür zuständig, dass hier in der großen Tornado-Wartungshalle im Manchinger Airbus-Werk die Arbeitsabläufe stimmen. Lean Management heißt das auf Neudeutsch. Und die Reifen quietschen, weil der Boden glatt und blitzsauber ist.

Dieter Sand ist nicht nur mit dem Boden sehr zufrieden, sondern mit der ganzen Halle bis hin zur LED-Beleuchtung unter der hohen Decke. "Die Halle ist top", sagt er. Seit drei Jahren werden die Kampf- und Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr in dem silbrigen Gebäude mit dem gebogenen Dach wieder fit gemacht für den Einsatz. Auch einer der sechs Bundeswehr-Tornados, die derzeit vom türkischen Incirlik aus zu Aufklärungsflügen über Syrien starten, war schon da.

Vorher waren diese Arbeiten auf mehrere Gebäude auf dem riesigen Gelände des Manchinger Flugplatzes verteilt, nun passiert alles unter einem Dach. Ein riesiger Fortschritt, findet Sand.

Inzwischen hat sich das Tor hinter dem Tornado wieder geschlossen, langsam schiebt ein Unimog-Schlepper das Flugzeug an seinen Stellplatz. Rechts und links schauen zwei Mitarbeiter, dass die Maschine nirgends aneckt. Wenn ein knapp 17 Meter langes und bei ausgefahrenen Flügeln knapp 14 Meter breites Flugzeug rückwärts einparkt, wirkt der breite Mittelgang durch die Halle plötzlich gar nicht mehr so geräumig.

Auf diesen Tornado wartet nur eine kleinere Inspektion. "Wissen Sie, woran man das sehen kann", fragt Dieter Sand und antwortet gleich selbst: "Die Farbe ist noch dran." Bei einer großen Inspektion - der "depot Inspection" -, die alle 2400 Flugstunden ansteht, muss auch der Lack runter, damit etwaige Schäden an der Außenhaut des Flugzeugs sichtbar werden. Und nicht nur das. Das unlackierte Etwas, das da aufgebockt auf einem der 20 Stellplätze in der Halle steht, erinnert nur noch entfernt an ein Flugzeug. Überall hängen dicke Kabelstränge heraus, die Nase ist zur Seite geklappt, die Tragflächen liegen neben der Maschine.

"Da bleibt nicht viel übrig", sagt Dieter Sand. Doch das scheinbare Chaos ist wohlgeordnet. Muss es auch sein. So ein Tornado-Jet besteht schließlich aus 140 000 Einzelteilen. Allerdings dauert es, bis alles wieder an seinem Platz ist. 11 000 Arbeitsstunden stecken in einer "depot Inspection", über ein Jahr steht ein Flieger dafür durchschnittlich in Manching.

Vielleicht zwei- oder dreimal muss ein Militärjet im Lauf eines langen Flugzeuglebens zu so einer Grundinspektion. Im Fall der Tornados eher dreimal. "Wir fliegen das Flugzeug noch gute 20 Jahre", sagt Wolfgang Gammel, Programmleiter für die Flugzeugwartung in Manching. Die Bundesregierung hat sich Mitte des Jahres festgelegt, dass die Luftwaffe den Tornado noch bis mindestens 2035 im Einsatz behalten soll. Das ist auch für ein Militärflugzeug eine lange Zeit. Der erste Tornado-Prototyp hob schließlich schon 1974 in Manching zum Erstflug ab. Die Produktion des deutsch-britisch-italienischen Gemeinschaftswerks endete 1999. Die Briten wollen ihre Tornado-Flugzeuge bereits in drei Jahren ausmustern.

Fliegt die Bundeswehr also mit museumsreifen Flugzeugen durch die Gegend? Wolfgang Gammel winkt ab. "Die Flugzeuge bleiben auf dem neuesten Stand", sagt er. Anders als bei Autos werden bei Militärflugzeugen ja nicht nur Reparaturen ausgeführt und Teile erneuert. "Die Außenabmessungen bleiben, aber die Technik wird ständig angepasst", erklärt Gammel den Modernisierungsprozess. Zurzeit wird bei den Tornados das Modernisierungspaket ASSTA 3.1 installiert, weitere sind schon in Planung. "Man kann sich das wie ein Betriebssystem bei einem Computer vorstellen", sagt Gammel. "Nur dass wir die Neuerungen vorher ausreichend erprobt haben."

Genug Arbeit also für das Manchinger Airbus-Werk mit seinen derzeit rund 4000 Mitarbeitern - und es wird noch mehr werden. Aktuell kommen jedes Jahr 13 bis 15 Tornados zur Inspektion oder Modernisierung nach Manching, innerhalb der nächsten drei Jahre will Airbus diese Zahl auf über 22 steigern. Das ist nicht zuletzt eine Folge der kleiner werdenden deutschen Tornado-Flotte, auch wenn das zunächst wie ein Widerspruch klingt. Von ursprünglich 357 Exemplaren des Schwenkflügel-Flugzeugs hat die Luftwaffe derzeit noch 83 in Betrieb. Die Wartung dieser Flugzeuge ist am wirtschaftlichsten, wenn sie möglichst an einem Ort konzentriert wird. Und der heißt Manching. Deshalb gibt die Luftwaffe auch ihre Tornado-Wartung in Erding auf. Bis 2019 soll der Umzug nach Manching abgeschlossen sein. Und auf dem Manchinger Flugplatzgelände wird ein neues großes Teile-Lager gebaut, das von Airbus betrieben wird.

Die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Bundeswehr wird damit enger. So hat das Manchinger Tornado Wartungs- und Instandsetzungszentrum eine militärisch-zivile Doppelspitze. Und in der Tornado-Halle sieht man neben dem Blau der Airbus-Monturen auch Bundeswehr-Oliv. 34 der derzeit 181 Mitarbeiter in der Halle sind Soldaten. Ob das funktioniert? "Natürlich gab es zuerst Bedenken", sagt Dieter Sand. "Aber die haben sich buchstäblich in Luft aufgelöst."