Ingolstadt
In Sorge um Hellas

01.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Foto: Stefan Eberl

Ingolstadt (DK) Im Jahr 1994 verließ Michael Haniotes seine Heimat. „Schon damals habe ich die schwierige Lage in Griechenland erkannt. Es waren die Korruptionszeiten, und das hat mir nicht gepasst.“ Er hatte Glück: Als Elektroingenieur bei Siemens in Athen konnte er nach Bayern auswandern, ohne seinen Arbeitgeber zu wechseln.

Nun lebt der 55-Jährige schon lange im eigenen Häuschen in Geisenfeld (Landkreis Pfaffenhofen). Momentan ist er traurig. „Griechenland geht es nicht gut, und das tut mir weh. Auch ich habe gehofft, dass etwas passiert mit der neuen Regierung. Aber inzwischen sind fünf Monate vorbei, und ich habe nichts bemerkt von ihren Versprechungen.“ Wenn die Griechen den Euro behalten wollen, davon ist Haniotes überzeugt, dann muss das Volk Sparmaßnahmen akzeptieren. Es gibt da so ein schönes griechisches Sprichwort, erzählt er: „Entweder hast du den ganzen Kuchen oder den Hund satt.“ Schwierig zu übersetzen.

Mehr als 2000 Griechen leben laut Statistik in der Region, im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung. Über die Hälfte davon in Ingolstadt. Und es kommen immer mehr – auf der Suche nach einer besseren Perspektive in der Boomtown. Seit 2010 hat sich die Zahl der Griechen in Ingolstadt mehr als verdoppelt auf 1164. Statistiker Helmut Schels führt die starken Zuzüge auf die Krise zurück.

Um diesen Landsleuten zu helfen, wurde vor Kurzem der Griechisch-Deutsche Kulturverein Ingolstadt und Umgebung gegründet. Vorsitzender ist Alexander Merkouris: „Es kommen sehr viele junge Griechen ohne Sprachkenntnisse. Denen wollen wir eine Plattform bieten, damit sie einen Ansprechpartner haben. Diese Leute stellen keine Ansprüche und kriegen sofort einen Job, als Kellner beispielsweise. Viele sind Studierte, Fachleute, Techniker, die in Griechenland keine Arbeit finden.“ Der Verein möchte Deutschkurse bieten, aber auch Griechischkurse. Die Tanzgruppe tritt auf vielen Festen auf.

Merkouris befürchtet, dass Griechenland keine Chance hat. „Denn die Kassen sind leer. Schon beim EU-Beitritt hat man sich alles schöngeredet und nur den Markt gesehen. Jahrelang hatten wir die Hoffnung, dass man versucht, dem Land zu helfen, aber es ging nur tiefer in den Kreditsumpf. Das Geld ist nicht bei den Leuten angekommen, sondern sollte nur die Banken retten, die ohnehin schon pleite waren. Jetzt schwimmen denen die Felle weg – und darum wird die Lage jetzt auch so dramatisiert.“

Lambros Ntontis sitzt im lauschigen Biergarten seines typisch griechischen Lokals im Herzen Ingolstadts und macht sich Gedanken über seine Heimat, die er vor 45 Jahren verlassen hat. Er schimpft auf seine Landsleute: „Das sind keine Patrioten: Nur 60 Prozent zahlen Steuern“, behauptet er und erzählt vom Zahnersatz seiner Frau: „8000 Euro hat die Behandlung in Griechenland gekostet, aber der Arzt weigerte sich, mir eine Rechnung auszustellen. Die wollte ich für meine Steuererklärung in Griechenland haben.“ Der Wirt meint, Griechenland müsse beim Euro bleiben. „Sonst ist die Wirtschaft tot.“

Aus der bayerischen Außenhandelsstatistik geht hervor, dass Griechenland 2014 für 0,26 Prozent des bayerischen Handelsvolumens mit dem Ausland stand: Waren im Wert von 521 Millionen Euro flossen im Export von Bayern nach Griechenland – umgekehrt kamen Waren für 308 Millionen Euro von Griechenland nach Bayern. „Diese Zahlen machen deutlich, dass die Griechenland-Krise für die bayerische Exportwirtschaft keine Bedrohung darstellt“, sagt Alexander Lau, stellvertretender Bereichsleiter für Außenwirtschaft der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. „Viele Unternehmen haben sich wegen der langjährigen Dauer der Krise auf die Situation eingestellt und sich teilweise aus den bilateralen Geschäften zurückgezogen. Andere verlangen zum Beispiel Vorauskasse bei Lieferungen nach Griechenland.“

Auch die deutschen Touristen sind auf dem Rückzug. „Es wird nur noch mit äußester Vorsicht gebucht“, erklärt Marion Micki, die ein Reisebüro in Pietenfeld (Kreis Eichstätt) betreibt. Da sind Ängste, nicht mehr willkommen in Griechenland zu sein. Sorgen, dass bald in den Hotels Mangel herrschen könne, seien unbegründet, so Micki: „Alle Veranstalter sagen, dass es selbst dann keine Probleme gibt, wenn kurzfristig die Drachme eingeführt wird.“