Kleist verzappelt und verrenkt

08.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:13 Uhr

Verwickelt sich mehr und mehr in Widersprüche: Dorfrichter Adam (Lambert Hamel) und Eve (Anne Schäfer). - Foto: Dashuber

München (DK) Der Beifall für die Darsteller war einhellig, Regisseurin Tina Lanik und ihr Team dagegen wurden nach der Premiere von Kleists Klassiker "Der zerbrochne Krug" am Münchner Residenztheater mit Buhrufen bedacht.

Das erste Bild, den Schluss des Stücks vorwegnehmend, ist imposant, macht neugierig. Richter Adam regungslos verloren in unwirtlicher Winterlandschaft unter heftigem Schneefall, knirschendes Stiefelgeräusch aus den Lautsprechern und dann ein wirrer Tanz schwarzer Figuren, Haberfeldtreiben in Eiseskälte.

Nun aber fährt das Podest mit seiner Schneelast in die Höhe, wird zum Dach des Gerichtsaals, eines großen Raumes, ausgekleidet mit hellgrauen Vorhängen, bestückt nur mit jeweils fünf schwarzen Stühlen, seitlich gereiht rechts und links – und einem thronartigen Sessel, der die Füße des Richters, wenn er darauf Platz nimmt, in der Luft baumeln lässt, auf dem aber auch herumgeturnt, gestanden und gelümmelt werden darf (Bühne: Bernhard Hammer).

Da wird dann bald spürbar das Problem der Regisseurin. Sie hat Ambitionen, die sie nicht einlösen kann: Kleist modern, zeitlos, ohne Milieu. Eingefallen aber sind ihr nur groteske Stilisierungen, deren Sinn sich selten erschließt, sie lässt zappeln, verrenken und rennen. Was will sie beispielsweise damit sagen, dass der Gerichtsrat Walter, nachdem er in einem unkleidsamen Anorak die Szene betreten hat, bewundernswert lange im Hintergrund auf einem Bein verharrt wie ein Storch? Und was bringt es, dass die beiden Mägde Adams daherkommen wie das doppelte Lottchen, dass am Ende Tauwetter einbricht und es in den Gerichtssaal tropft? Alles recht oberflächlich, billig, beliebig.

Wie so oft in jüngerer Zeit am Bayerischen Staatsschauspiel rettet den Abend einigermaßen die hochkarätige Besetzung. Allen voran natürlich der virtuose Lambert Hamel in der Titelrolle mit wunderbaren Momenten des tückisch Lauernden, der komödiantischen Täuschungsversuche. Eine ganz köstliche Studie gibt Shenja Lacher, der sich als Ruprecht einen Sonderapplaus verdiente. Nicht zu vergessen die große Jennifer Minetti als Frau Brigitte und sehr gut auch Rainer Bock (Walter), Mark-Alexander Solf (Schreiber Licht), Barbara Melzl (Frau Marthe), Anne Schäfer (Eve), Alfred Kleinheinz (Bauer Tümpel). Allesamt hätten sie eine klügere, dem großen Text angemessene Regieführung verdient.

Weitere Vorstellungen am 13. und 24. Februar, am 2., 6. und 22. März sowie am 3. April. Kartentelefon (0 89) 21 85 19 40.