Regensburg
Geburtstagstreffen der Superstars

Gidon Kremer, Martha Argerich, Lucas Debargue und die Kremerata Baltica im Regensburger Audimax

05.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Regensburg (DK) Ausverkauft! Alle 1470 Plätze im Regensburger Audimax sind belegt. Kein Wunder: Gidon Kremer, zweifellos einer der einflussreichsten Geiger unserer Zeit, feiert mit einer Tournee seinen 70. Geburtstag und hat dazu Kollegen eingeladen, die jeder für sich mühelos riesige Konzertsäle füllen können: Martha Argerich, die bedeutendste Pianistin unserer Zeit, das Kammerorchester Kremerata Baltica und den 26-jährigen pianistischen Senkrechtstarter Lucas Debargue. Der Franzose begann überhaupt erst mit 20 Jahren regelmäßig Klavierunterricht zu nehmen, vorher studierte er Literatur und spielte E-Bass in einer Band. Inzwischen pendelt er zwischen Berliner Philharmonie, Carnegie Hall und anderen wichtigen Sälen. In dem von Odeon Concerte Regensburg veranstalteten Abend herrscht also eine Star-Dichte, die an anderen Orten ausreichen würde, einer gesamten Saison Glanz zu verleihen.

Natürlich gibt es Probleme, so viele hochkarätige Musiker angemessen zum Zuge kommen zu lassen. Und dementsprechend ist das Programm anregend unkonventionell. Am Anfang steht ein persönliches Anliegen Gidon Kremers: ein Werk des fast vergessenen Schostakowitsch-Zeitgenossen Mieczyslaw Weinberg (1919-1996). Zuletzt haben sich Kremer und sein Orchester, die Kremerata Baltica, in CDs und Konzerten für den genialischen Komponisten eingesetzt. Diesmal steht sein Klavierquintett aus dem Jahr 1944 auf dem Programm, in einer Fassung für Klavier, Streichorchester und Schlagzeug. Eine wuchtige, 45 Minuten lange Pseudosymphonie, die, mit eher konventionellen tonalen Mitteln konstruiert, tief beeindruckt durch ihre existenzielle Intensität. Das Ensemble spielt ohne Dirigenten. Nicht einmal der am Klavier sitzende Lucas Debargue scheint die Zügel in Hand zu nehmen. Man spielt in großer Besetzung, aber im besten Sinne kammermusikalisch - und das gleichermaßen mit uhrwerkhafter Präzision und geradezu solistischer Individualität, besonders natürlich Lucas Debargue.

Dann, endlich, betreten Kremer und Argerich die Bühne. Das Duo legendär zu nennen ist eine Untertreibung. Den beiden gelangen einige der bedeutendsten CD-Einspielungen der vergangenen 50 Jahre - etwa die unerhört ruppigen, energiegeladenen Violinsonaten von Beethoven. An diesem Abend nehmen sie sich Schumanns a-Moll-Sonate vor, aber die beiden Exzentriker wollen nicht so richtig kooperieren. Argerich hat (anders noch als Debargue zuvor) den Flügel weit geöffnet. Die 74-jährige Grand Dame der Pianistik spielt mit lockerer Hand so virtuos und dynamisch, dass sie die zarter gewordenen Geigentöne ihres Kollegen erdrückt. Und die beiden finden auch musikalisch nur schwer zueinander: Argerich scheint noch die Interpretation ihrer CD-Aufnahme der Sonate mit Itzhak Perlman vom vergangenen Jahr in den Fingern zu spüren.

Aber Perlman ist anders, er spinnt endlose kräftige Fäden des warmseidigen Schönklangs, Töne, die stabil und laut im Saal zu stehen scheinen. Kremer ist ein Geiger, der immer wieder in die Knie geht beim Vortrag, er steht nicht, er tänzelt - auch im Alter noch. So ist auch seine Musik niemals statischer Wohlklang, sondern ein Balanceakt, geprägt von nervöser Wendigkeit, gummiartiger Flexibilität. Da verlangsamt er immer wieder das Tempo, als wollte er den davonschwebenden Tönen nachlauschen und ein wiederkehrendes Motiv noch einmal wie in Erinnerung ganz intim neu formulieren. Das passt dann kaum zum nüchternen Draufgängertum der Argerich.

Lustvoller musiziert wird in Mozarts Konzert für Flöte und Harfe, bearbeitet für Violine und Klavier. Die Kremerata Baltica spielt pointiert, mit vielen kurzen Notenwerten, Kremer ahmt leise und ironisch das Dolce der Flöte nach und Argerich lässt das Klavier dramatisch sprudeln. Das macht Spaß, den Musikern auf der Bühne und dem Publikum, das nun, endlich, enthusiastisch applaudiert.