Pfaffenhofen
Kunst und Demokratie

18.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:36 Uhr

„Ich kenne kein Weekend“ meint Josef Beuys mit diesem Werk aus Koffer, Maggiflasche und Kant.

Pfaffenhofen (ksd) Der Filzanzug ist natürlich da, hoch oben von der Decke hängend.

Der Schlitten (mit einem Glassturz geschützt). Der Koffer „Ich kenne kein Weekend“ mit Maggiflasche und Kants „Kritik der reinen Vernunft“ als Reclamheft im Deckel montiert – ein abgeklebtes Viereck hält allzu neugierige Besucher ein wenig auf Distanz. Doch um Abstand geht es mitnichten im „Beuys-Projekt“, das der Neue Pfaffenhofener Kunstverein seit Freitagabend in der Kulturhalle mit 70 Originalexponaten eines der wichtigsten Künstler der Nachkriegszeit und 115 selbst gemachten Beuys-Multiples präsentiert. Ohne innere Berührungsängste in die Ideenwelt von Joseph Beuys eintauchen soll man in der Schau – und zugleich in das Wesen der Demokratie. „Beuys = Demokratie“ hat Manfred „Mensch“ Meyer, einer der maßgeblichen Organisatoren der Schau, schließlich als Losung für das Projekt ausgegeben.
 

Das natürlich nicht von ungefähr. Der Mann, der formulierte „Demokratie muss gesungen werden“ oder auch „Die Verwirklichung der Demokratie ist die primäre Aufgabe der Kunst in der Gesellschaft“ (beide Beuys-Zitate prangen mit anderen in roter Schrift an den Wänden der Kulturhalle), der ausgehend vom „Erweiterten Kunstbegriff“ die Vorstellung der „Sozialen Skulptur“ in die Welt setzte, ist geradezu Symbol der Einheit von Kunst und kreativer Gestaltung des Gemeinwesens als Aufgabe eines jeden Einzelnen. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, auch dieser Beuys-Satz ist im Zusammenhang hinreichend zitiert. Dass nach ihm noch ein ganzes Gedicht kommt, in dem der „Kunstprofessor, Schamane, Bildhauer, Zeichner, Aktionskünstler, Mitbegründer der „Organisation für direkte Demokratie und Volksabstimmung”, der „Freien Internationalen Universität (FIU)”, der Ökologiebewegung und der Grünen, Redner, Sänger, Performer und Pädagoge“, in dem also Beuys zur romantischen individuellen Lebenswahrnehmung aufruft, ist weniger bekannt. Aber auch diesbezüglich hilft Manfred „Mensch“ Meyer weiter. „Leben = Kunst = Demokratie“ heißt seine erweiterte Gleichung für die Schau.

So weit, so gut, so in sich schlüssig. Nur: Lässt sich das alles auch vermitteln? Seltsamerweise funktioniert das ziemlich gut. Denn das Kunstvereins-Team leistet mit einer eigenen Beuys-Zeitung im Outfit der 70er Jahre, einem äußerst umfangreichen Büchertisch des Beuys-Verlegers Rainer Rappmann und nicht zuletzt der unaufgeregten Ausstellungskonzeption kompetente Hilfeleistung zum Verständnis. Im vorderen Bereich der zweigeteilten 800 Quadratmeter großen Halle gibt es Beuys im Original, heißt in Auflagenobjekten. In den Glasvitrinen Stücke wie die „mit Schwefel überzogene Zinkkiste“ (eben das), das „Objekt zum Schmieren und Drehen“ (jener Schraubenzieher in einer fettgefüllten Blechdose), oder die grünbemalte Geige „Musik als Grün“. Die Wände füllen dicht auf dicht Drucke und Plakate, wie der herrliche „Boxkampf“ namens „Beuys boxt für direkte Demokratie“, die bezaubernde Farblithografie „Zwei weibliche Torsi“ oder die Serie „Hasenzucker“. Wer hier Beuys’ strenge Ansage „Wer nicht denkt fliegt raus“ beherzigt, kommt aus dem Schauen, Lernen, Denken, Lächeln nicht mehr heraus – auch wenn nichts wirklich Spektakuläres hier verwirklicht ist. Unbefangen sich nähern soll und darf man hier, ohne Ehrfurchtsschere im Gehirn.

Im hinteren Teil schließlich des „Menschen“ Meyer eigene Multiple-Aktion „Gib dem Beuys-Projekt Rahmen“. 90 (denn 90 Jahre wäre Beuys heuer geworden) und 25 (denn zugleich ist 25. Todesjahr) Rahmen sammelte Meyer bei der Bevölkerung und bestückte sie inwendig mit Beuys-Postkarten und anderen bildlichen Versatzstücken um sein Leben. Das ist ein wenig kitschig und doch zugleich einfach und wirkungsvoll. Denn zur Finissage am 7. August ist „Heimholung“ der käuflichen Multiples, die bereits fast restlos reserviert sind. Auch das –„Wenn ihr alle meine Multiples habt, dann habt ihr mich ganz“ – hat Beuys schließlich einmal gesagt.

Kulturhalle auf dem Heriongelände, bis 7. August, Di bis Fr 16 bis 19 Uhr, Sa, So 15 bis 18 Uhr.