Nürnberg
Kunst und Grenzerfahrung

Doppelausstellung zum 80. Geburtstag von Werner Knaupp

27.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

"Vulcano": Feuerschlot eines erloschenen Vulkans auf den Westmännerinseln bei Island; Gemälde von Werner Knaupp, 1991. - Foto: Bröder

Nürnberg (DK) Seine letzte, seine jüngste Ausstellung nennt der 80-jährige Künstler Werner Knaupp "Tabula rasa" und macht - diesem programmatischen Titel entsprechend - reinen Tisch. Als Maler und Bildhauer hat Werner Knaupp, der wohl bedeutendste lebende Künstler der nordbayerischen Kunstszene, die Weiten der Wüsten durchmessen, hat die Wut der Wellen und die Feuerschlünde der Vulkane in riesigen Bildern gebannt, hat aber auch die im Feuer verkrümmten Leiber verbrannter Leichen und die schmerzverzerrten Körper Kranker und Sterbender in seinen Asche-Bildern und in Eisen-Skulpturen festgehalten.

Jetzt widmen ihm das Staatsmuseum für moderne Kunst Nürnberg und die städtische Kunstvilla eine Doppelausstellung zum Geburtstag.

Mit seinerzeit sehr ungewöhnlichen Kugelschreiberzeichnungen erregte Werner Knaupp sehr frühzeitig, Mitte der 1960er-Jahre, bereits weit über seine Heimatstadt Nürnberg hinaus, Aufsehen, wurde 1977 von Manfred Schneckenburger zur legendären documenta 6 in Kassel eingeladen und machte dann mit radikalen Projekten von sich reden, deren Eindrücke er in leidenschaftlichen, ja fast pathetischen Gemälden und Skulpturen buchstäblich verarbeitete. Künstlerisch und innerlich: Als Hilfspfleger arbeitete er in einer psychiatrischen Klinik in Bayreuth, hospitierte im Krematorium Nürnberg und ging in die Sterbehäuser von Mutter Teresa in Kalkutta. Grenzerfahrungen, die sich in Arbeiten jenseits aller spektakulären Sensationsmacherei niederschlugen, gleichwohl die Abgründe existenzieller Erlebnisse künstlerisch visualisierten. Die Gewalten der Natur und die Nichtigkeit des Menschen als "anthropomorphisches Material", das in seinen Arbeiten geformt, in "Kunst" gegossen und damit - in des Wortes doppelter Bedeutung - aufgehoben wurde.

Einer schweren, inzwischen überstandenen Krankheit trotzt Werner Knaupp dann, vor ein paar Jahren, als er kaum noch einen Pinsel halten konnte, mit der Digitalkamera übergroße, farbige Nahaufnahmen von Blüten ab, deren organische Ästhetik, brachial und sinnlich zugleich, jedwede romantische Lieblichkeit weit hinter sich ließ. Und doch ließ dieses gleichsam existenzialistische Experiment den Künstler nicht ruhen: "Betroffenheit", so sagt er, "macht noch keine Kunst." Und zerstörte jetzt diese "schönen fotografischen Bilder", übermalte, verwischte die Oberflächen, ein radikaler Akt der Destruktion des jetzt als "Kitsch" empfundenen "scheinbar Schönen". Sie machen jetzt die Ausstellung aus: Decollagen gleichsam, mit denen sich Werner Knaupp nach der Gewalt der Natur den Weiten der Seele, den Wüsteneien des Inneren zuzuwenden scheint - und sich damit doch wieder auf ein abenteuerliches Experiment einlässt.

Doppelausstellung zum 80. Geburtstag des Künstlers Werner Knaupp. Staatsmuseum für moderne Kunst, "Tabula rasa". Bis Ende Juli, Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. Städtische Kunstvilla, "Vulcano" , Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.