Nürnberg
Die Kunst des Coverns

Die US-Amerikanerin Sherrie Levine im Neuen Museum Nürnberg

30.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

"Buddha" nennt Sherrie Levine ihre Bronzeskulptur (1996) in Form eines Pissoirbeckens, die Marcel Duchamps berühmtem "Urinoir" nachempfunden ist. - Foto: Neues Museum

Nürnberg (DK) Als Marcel Duchamp 1917 ein ganz gewöhnliches Urinal aus Porzellan zum Kunstwerk erklärte, stellte das die Kunst auf den Kopf. Das bis dahin dem "Wahren, Guten und Schönen" verpflichtete klassische Kunstwerk war damit seiner ganz besonderen Aura beraubt, die Kunst trivialisiert.

Jetzt, hundert Jahre später, gibt die amerikanische Künstlerin Sherrie Levine dem berühmten Ready-made Duchamps' die Aura zurück, gießt es in schimmernde Bronze und nobilitiert es zu jetzt erhabener, edler Kunst. Im Neuen Museums Nürnberg, dem Staatlichen Museum für Moderne Kunst, hockt das solcherart künstlerisch wieder erweckte Pissbecken wie ein Buddha im Mittelpunkt der Ausstellung "After All". Es ist die erste deutsche Einzelausstellung der 1947 in Pennsylvania geborenen, hierzulande bislang kaum bekannten, in den USA aber sehr renommierten Künstlerin.

In ihren 50 in der Ausstellung gezeigten Arbeiten aus den letzten 35 Jahren geht es Sherrie Levine - wie in ihrem ganzen Werk - um "Bilder nach Vorbildern"; also nach berühmt gewordenen Kunst-Vorbildern, die sie sich nicht nur bei Duchamp, sondern bei Cézanne, Gauguin und van Gogh, bei Mondrian, Miro und Male-witsch und bei Degas und Dürer sucht. In der Musik würde man diese Art von Reproduktion und Aneignung "Covern" nennen, womit die Künstlerin Walter Benjamins Diktum vom "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" in immer neuen Anläufen gleichsam visualisiert.

So etwa, wenn sie in einer ihrer jüngsten Arbeiten, "After Dürer" (2016), eine Serie von 18 Postkarten mit Dürers "Feldhasen" von 1502 signiert, rahmt und an die Wand hängt; und so das millionenfach reproduzierte und damit verkitschte Motiv wieder in die "Kunst" zurückholt und seine ursprüngliche Aura gleichsam verdoppelt. Freilich hätte man sich zur sinnfälligen Illustration der "Verdoppelten Aura des Kunstwerks" gerade in Nürnberg einen Hinweis auf die Installation das "Große Hasenstück" des Künstlers und derzeitigen Präsidenten der Nürnberger Akademie, Ottmar Hörl, gewünscht, der 2003 auf dem Nürnberger Hauptmarkt 7000 Dürer-Hasen aus Plastik in Reih und Glied aufmarschieren ließ. Aber auch so demonstriert die Ausstellung "After All", die die Begriffe von "Original" und Nachahmung, Kopie, Imitat und Duplikat reflektiert und infrage stellt, sehr sinnfällig die Dialektik moderner Kunst, bei der der Betrachter auch mal über seinen Schatten springen und um die Ecke denken muss. Und auch wenn Sherrie Levine ihre manchmal sehr spröde daherkommenden Bilder und Objekte unter keinen Umständen unter "Konzept-Kunst" subsumiert sehen will, ist "After All" ein Musterbeispiel der amerikanischen Concept Art: Erst in der Anschauung entsteht das Kunstwerk - im Kopf des Betrachters, der die Idee, das Konzept des Künstlers, nachvollzieht.

Bis 12. Februar. Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr geöffnet.