Neuburg
Lang, aber kurzweilig

Der dritte Neuburger Kammermusikmarathon präsentierte diesmal eine deutsche Erstaufführung

04.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr

Neuburg (DK) Kammermusikmarathons haben einen Vorteil: Sie sind länger und gleichzeitig kurzweiliger als gewöhnliche Konzerte. Etwa dreieinhalb Stunden musizierten Dozenten und Studenten der Neuburger Sommerakademie im Kongregationssaal, aber die Zeit verging eigentlich wie im Fluge, da Programm, Künstler, Besetzungen ständig variierten.

Und das in einer lockeren Atmosphäre, wo weder vor noch hinter der Bühnenrampe Garderobenzwänge zu spüren waren. Es kam eben nur auf eins an: auf die gute Musik.

Ins Zentrum des 3. Neuburger Kammermusikmarathons hatte der Künstlerische Leiter Alexander Suleiman das längste, wichtigste und ambitionierteste Werk gelegt: die deutsche Erstaufführung von An-Iun Huangs Klaviertrio II, op. 83. Das Werk soll in der gleichen Besetzung, mit Yubo Zhou, Klavier, Bin Hunag, Violine, und Alexander Suleiman, Cello, demnächst für das Label Naxos auf CD eingespielt werden.

Wie wichtig den Künstlern das Projekt ist, war in jeder Note spürbar. Mit grandiosem Einsatz verausgabten sie sich für die Musik des in Europa nahezu völlig unbekannten Komponisten. Dabei ist die Komposition von An-Iun Hung ein wenig befremdlich. Von der Musikentwicklung der vergangenen 100 Jahre ist so gut wie nichts zu spüren, das Trio klingt spätromantisch, erinnert ein wenig an das Klavierquartett von Gustav Mahler oder an Werke von Ernest Chausson. Aufwühlende Akkorde, mitreißende schnelle Sätze, eine leicht fassbare Melodik - das zeichnet das Werk aus, das aber auch viel zu lang und etwas uninspiriert ist. Für ihren Elan und die meisterhafte Darstellung bekamen die Musiker dennoch viel Beifall.

Ansonsten war an dem Abend für viele Geschmäcker etwas geboten. Für Freunde der Klaviermusik spielte der russische Pianist Misha Namirovsky eine federnd leichte, überaus dynamisch und virtuos gestaltete Sonate von Ludwig van Beethoven (op. 10, Nr. 2) - sicher einer der besten Programmpunkte des Abends. Aber auch der Kopfsatz der h-Moll-Sonate von Fréderic Chopin war in der Interpretation der jungen chinesischen Pianistin Yubo Zhou ein Höhepunkt, so weich und poetisch, wie sie diese Musik ertönen ließ.

Für Klarinetten-Fans stach das Trio d-Moll von Michail Glinka heraus, und da besonders der biegsame Ton und der hochmusikalische Zugriff des Klarinettisten Marco Thomas. Aber auch die Darstellung des Grand Duo Concertante der Studentin Cornelia Wörmann war achtbar, allerdings auch mit ein bisschen zu vielen kurzatmigen Bögen interpretiert.

Cello-Freunde kamen besonders durch die Auftritt Alexander Suleimans auf ihre Kosten. Wunderschön gestaltete er etwa Rachmaninows elegischen Dauerbrenner "Vocalise" - so differenziert, dass fast jeder Ton von ihm eine andere Färbung erhielt. Rasant und temperamentvoll spielte zudem ein Cello-Ensemble Edmund Villani-Cortes' "Cinco Miniaturas Brasileiras". Warm und tonschön interpretierten Antonio Clavijo (Cello) und Heiko Stralendorff (Klavier) die e-Moll-Cellosonate von Johannes Brahms. Und Suleiman und Stralendorff boten noch eine kleine Kuriosität: Der Pianist hatte ein fragmentarisches Cello-Stück von Mozart (seine einzige solistische Cello-Komposition) schonend vervollständigt. Heraus kam eine nette Petitesse.

Und es gab natürlich noch einiges mehr an unterhaltsamer Musik: Das "Zigeunertrio" von Haydn, eine Beethoven-Cello-Sonate und eine verrückt-jazzige Improvisation mit Suleiman und Herbert Wiedemann. Und am Ende, wie es sich gehört, einen Rausschmeißer, ein Stück, das auch nach einem so langen Abend dem Publikum noch einmal die Müdigkeit aus dem Gliedern treibt: Niccolò Paganinis "Le Streghe" - eine faszinierende Geigenhexerei mit Bin Huang. Begeisterter Applaus des Publikums, das fast durchweg bis zum Ende durchgehalten hatte.