Murnau
Einblicke in Verborgenes

16.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

 

Murnau (DK) Bilder, in denen die Zeit stehen bleibt und in denen man die Stille zu hören glaubt – das ist eines der wesentlichen Kennzeichen der Gemälde von Vilhelm Hammershøi. Dessen Werke waren im Sommer 2012 in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung zu sehen.

In gewissem Sinn fortgesetzt wird diese Schau jetzt im Schlossmuseum Murnau am Staffelsee mit der Ausstellung „Der intime Blick“. 64 Werke spannen den Bogen vom ausklingenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart und treten den Beweis an, dass Künstler bis heute Einblicke gewähren in Situationen, die gerade nicht öffentlich, sondern sehr persönlich sind.

Kuratorin Sandra Uhrig schöpft für diese Ausstellung in ihrem Haus aus zwei Privatsammlungen, die sich offenbar ideal ergänzen. Auch wenn nicht jedes Blatt zwingend in den Kontext „Der intime Blick“ gehört, ist die Auffächerung des Themas spannend. Ausgehend von Innenräumen, die von den Franzosen Édouard Vuillard und Félix Vallotton sehr flächig dargestellt werden, führt der Weg zu den Kollegen Hammershøis: Peter Ilsted und Carl Vilhelm Holsøe definieren den Raum durch das Licht, das durchs Fenster hereinflutet und das jeden Gegenstand und jede Person je nach Platzierung hervorhebt oder zurücktreten lässt.

Andere Künstler nehmen, zurückgezogen in das Atelier, sich selbst in den Blick – wie etwa Picasso –, oder sie studieren das Aktmodell – wie Max Pechstein, Egon Schiele, Gustav Klimt und andere. Die Posen der Frauen mögen gewählt oder vom Künstler bestimmt sein, doch zuweilen wagt es der Künstler auch, einen Menschen zu skizzieren, der selbstvergessen im Schlaf ruht, wie die Skizzen von Eduardo Chillida oder Karl Hubbuch zeigen. Nicht zuletzt sind die Umarmung und der Liebesakt Themen für Künstler, wenn sie die Verflechtung von zwei Körpern studieren. Max Beckmann zeigt hier seine Kunst, dass die geballten Emotionen einen Innenraum geradezu aufsprengen können.

Dieser mit dem Begriff „Intimismus“ bezeichnete besondere künstlerische Blick analysiert Nähe und Distanz zwischen zwei Menschen, er identifiziert sich aber zuweilen auch mit einem Schauenden. Aus den Einblicken werden Ausblicke mit der Frage, wie der Blick des Bewohners aus dem Zimmer heraus auf die Umgebung schweift – ein Thema für David Hockney und Leif Trenkler. Einblicke in die Psyche eines Menschen sucht dagegen Arnulf Rainer, indem er Porträts von Vincent van Gogh oder der Schauspielerin Sibylle Canonica übermalt und dadurch Wesenszüge stärker hervorzuheben sucht. Diese besondere Kunst spiegelt Stimmungen und Neigungen, heimliche Abwehr und ungebremste Zuneigung, verschämt Verborgenes und ungeniert Dargebotenes. Der kluge Ausstellungstitel „Der intime Blick“ vereint Gegensätzliches und Verwandtes, und der lesenswerte Katalog erläutert das weit gespannte Thema in all seinen Facetten.

 

Bis zum 29. Juni im Schlossmuseum Murnau, geöffnet dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. Katalog 25 Euro.