Hymnen für Romantiker

01.07.2015 | Stand 01.02.2017, 14:44 Uhr
Einer der größten Songwriter, den die Vereinigten Staaten je hervorgebracht haben: Jackson Browne legte beim Sommer-Tollwood in München einen großartigen Auftritt hin. −Foto: Cornelia Hammer

München (DK) Auf eines kann man sich bei Jackson Browne verlassen. Er will nicht nur spielen. Der Westcoast-Folkrocker nutzt seine Konzerte, um auf politische und gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern auf die ihm eigene charmante Art. So auch am Dienstagabend in der prall gefüllten Musikarena des Tollwood, das sich seit jeher für Themen wie Ökologie und Umweltbewusstsein stark macht.

Die Vita des 66-jährigen Kaliforniers gebietet Ehrfurcht. Seit Anfang der 1970er zählt er zu den bedeutendsten amerikanischen Songwritern. 2004 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen, drei Jahre später auch in die Songwriters Hall of Fame. Kaum eine Lagerfeuer-Party der älteren Generation, bei der nicht irgendwann zu später Stunde sein „Stay (Just A Little Bit Longer)“ ertönt; bleibt doch noch, wo's grad so schön ist.

Die Bühne der Musikarena betritt der aufgrund seiner schlanken Gestalt und des markanten Seitenscheitels nach wie vor jünger wirkende Musiker pünktlich und in großer Gefolgschaft. Zwei Gitarristen, ein Bassist, ein Keyboarder, ein Schlagzeuger und eine Background-Sängerin nehmen ihre Positionen am hinteren Rand der Bühne ein. Vorne Jackson Browne mit einer seiner vielen Gitarren (im Laufe des Abends verwendet er sicher zehn unterschiedliche) und dem Opener „The Barricades Of Heaven“ aus dem 1996 veröffentlichen Longplayer „Looking East“.
 
Der 66-Jährige bezieht das Publikum bald mit ein und nimmt sich selbst auf den Arm, als er das bittersüße „Here“ aus seinem aktuellen Album „Standing In The Breach“ ankündigt. Den Song hätte er für einen Film beigesteuert, in dem Kevin Spacey einen Wissenschaftler spielt. „Kein Mensch hat diesen Film gesehen. Und der Song läuft im Abspann.“ Bei „I'm Alive“ aus dem gleichnamigen Album von 1993 reißt es das Publikum nach einer halben Stunde erstmals von den Sitzen. Dann legt Browne die Gitarre beiseite, setzt sich ans schwarze Klavier. „Late For The Sky“ aus den Siebzigern ist großes Kino.


Das zweite Set nutzt der in Los Angeles lebende Musiker, seit dem Ende der 1970er Jahre engagierter Umweltschützer, für ein Statement. Er komme aus Kalifornien, sagt er und zitiert eine Textzeile des Beach-Boys-Klassikers „Surfin' USA“. Na klar wäre der Ozean vor der Haustür, aber Brian Wilson sollte diesen Song vielleicht noch einmal schreiben. Denn das Meer sei verschmutzt, und all das Plastik, das jemals hergestellt worden sei, existiere nach wie vor, singt er in „If I Could Be Anywhere“ und bittet das Publikum, sich zu überlegen, ob es beim nächsten Einkauf wirklich unbedingt die Plastiktüte sein müsse.

Warren Zevons „Lawyers, Guns and Money“ ist ein echter Rocker, dann verscheucht Browne den Mann von der Security, der die vor der Bühne Tanzenden beiseite drängt. „Such Dir einen Platz“, bittet er ihn – und die Party kann beginnen. Es folgen die Klassiker. „Doctor My Eyes“, „Pretender“, „Running On Empty“. Die Musiker verlassen die Bühne. Jackson Browne kehrt alleine zurück und setzt sich ans Klavier, ein Lichtkegel erhellt ihn. Und dann kommt sie, die Hymne: „The Load Out/Stay“, die XL-Version. Das große Finale, gesungen aus tausenden Kehlen. Die Band stimmt mit ein. Vor der Bühne in die Höhe gereckte Smartphone-Displays. Lagerfeuer-Romantik im Jahre 2015 – immerhin die Musik ist noch dieselbe.