München
Künstler als Krieger

Die Schau "jung und wild" in der Münchner Residenz beleuchtet die Kunstszene der 80er-Jahre

13.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:57 Uhr

"Torero gelb" heißt dieses Werk der japanisch-schweizerischen Malerin, Grafikerin und Bildhauerin Leiko Ikemura. - Foto: Dany Keller Galerie

München (DK) Der Münchner Galerist Otto van de Loo an der Maximilianstraße war eine Instanz im Münchner Galeriebetrieb. In seiner Ausstellung "Am Anfang war das Bild", 1990 für die Villa Stuck konzipiert, zeigte er 250 Werke von 35 Künstlern, die geprägt waren von einer ungebändigten Heftigkeit in Farbe und Pinselduktus, von Spontaneität und von der Freiheit, sich nicht dem Diktat der Abstraktion in der Moderne zu beugen.

Dass diese Künstler Kunstgeschichte schreiben würden, erkannte van de Loo lange vor den Kuratoren staatlicher Museen in München. Der 2015 verstorbene Galerist, der Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste war, stand sozusagen posthum Pate für eine kleine Schau, die seine Tochter Marie-José in den Ausstellungsräumen der Münchner Residenz eingerichtet hat, zusammen mit Kuratorin Selima Niggl. Titel der Schau: "jung und wild - Die 1980er-Jahre in München".

Der 1946 geborene Maler Franz Hitzler, der 1990 vier Bilder ausstellte, ist jetzt unter anderem mit einem großen Triptychon vertreten und eröffnete selbst die Schau. Dabei verwies er auf die "emotionale Wucht" der Bilder seiner Generation, die traumatisiert gewesen sei durch die Väter-Generation. Auffällig ist, wie sehr diese seelische Verarbeitung sichtbar gemacht wird durch die Darstellung des Körperlichen. Nicht nur, dass Dutzende Gesichter und Fratzen den Betrachter von den Leinwänden herab fixieren, sondern auch der gesamte menschliche Körper in seiner Bewegung, seiner Haltung bringt die Emotionen deutlich zum Ausdruck: der Körper als Skelett, in schreckhafter Abwehrhaltung, als übergroße Gestalt oder als Kind, das sich an die Mutter klammert oder zu fallen droht. Es ist Körpersprache, die hier ins Bild gefasst oder als Skulptur gebaut wird, von insgesamt elf Künstlern in drei Ausstellungsräumen.

Dass es in diesen Bildern durchaus auch um Gewaltfantasien geht, thematisiert die 1951 geborene Japanerin Leiko Ikemura. Auf ihrem Gemälde "Torero gelb" von 1983 schießen Frauenkörper wie auf Surfbrettern durch die Luft, scheinbar dirigiert von den Bewegungen eines Mannes, dessen traditionelles Gegenüber, der Stier, nur im Hintergrund aufscheint. Ikemura konstatiert im Katalog, dass die moderne Gesellschaft keine Möglichkeit mehr biete, "körperlich die Aggressionen aufzulösen", und analysiert, dass die Künstler "auf eine Art Krieger sind" und ihr Angriffsziel das eigene Ich sei. Wenn also im post-faktischen Zeitalter der Krieg mit Worten geführt wird, ist es umso wichtiger, sich dieser Werke und ihrer Kunst der Auseinandersetzung zu vergewissern, gemäß dem Motto von 1990: "Im Anfang war das Bild."

Bis zum 9. Juli in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3, geöffnet von Mittwoch bis Sonntag 11 bis 16 Uhr.