München
Irrwitziges Zusammentreffen

George Taboris "Mein Kampf" im Münchner Volkstheater

30.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:53 Uhr

Die Groteske thematisiert die frühen "Wiener Jahre" Adolf Hitlers (Jakob Immervoll) als Bewohner eines Männerwohnheims vor dem Ersten Weltkrieg. - Foto: Declair

München (DK) Historisch ist das ja alles verbürgt: Als Adolf Hitler mit 17 Jahren nach Wien zog, um Kunstmaler zu werden, findet er Unterschlupf in einem Männerwohnheim für Obdachlose. Neben der Lektüre von antisemitischen und rassetheoretischen Schriften samt dem Besuch diesbezüglicher Veranstaltungen bereitet er sich in den Jahren 1906 und 1907 auf die Aufnahmeprüfungen der Kunstakademie vor, bei denen es freilich zwei Mal erfolglos bleibt.

Zur Aufbesserung seiner Waisenrente finanziert er seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf der von ihm in naiver Manier angefertigten Aquarelle und Zeichnungen Wiener Sehenswürdigkeiten.

Ob Hitler bis zu seiner Flucht nach München im Jahre 1913, um den Wehrdienst in der österreichischen Armee zu entgehen, bei seinen Aufenthalten in verschiedenen Unterkünften in der Hauptstadt des damaligen k. u. k. Reiches mit bedeutenden und auch obskuren jüdischen Heimbewohnern regen Kontakt pflegte, ist freilich umstritten. Doch der Dramatiker George Tabori (1914-2007) breitet diese Vermutungen in seiner makabren Farce "Mein Kampf" vom Jahre 1987 genüsslich aus: Die gescheiterte Existenz Adolf H. aus Braunau am Inn trifft im Obdachlosenheim auf den jüdischen Buchhändler Schlomo Herzl. Und Tabori schildert mit triefender Ironie und köstlich subtiler Verschmitztheit das irrwitzige Zusammentreffen dieser beiden völlig konträren Menschen. Herzl unterstützt geradezu aufopfernd den erfolglosen Maler, kocht ihm das Essen, flickt ihm die Kleider und richtet den vom reinen Ariertum faselnden und antisemitisch geifernden jungen Burschen mit viel Geduld moralisch auf. Selbst mit Passagen aus der Bibel versucht er, ihn auf den richtigen Weg zu bringen. Alles vergebens. Und dass Herzl diesem Schicklgruber auch noch den Spitzbart zum Schnauzbart stutzt und das Haar schräg nach rechts vorne bürstet, ist dann auch noch Taboris Gagzulage zu diesem irrlichternden "Mein Kampf"-Dramolettchen.

Eine pralle Studie zweier völlig konträrer Menschen destillierte Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters, als Regisseur aus dieser Vorlage. In einem Kellerkabuff mit einem Verbrennungsofen als Vorahnung des Holocaust (Bühnenbild: Stefan Hageneier) belfert Jakob Immervoll mit aufgerissenen Augen, exaltierter Gestik und mit dumm-dreisten völkischen Sprüchen auf den Lippen als narzisstischer Hypochonder-Adolf und winselt um Anerkennung, während Pascal Fligg den aufgeklärten und mit geradezu unendlicher Geduld um Ausgleich bemühten Juden Schlomo Herzl großartig verkörpert.

Keine Karikaturen von NS-Tätern und NS-Opfern sind diese "Mein Kampf"-Protagonisten, sondern realistische Figuren, die Stückl als kraftvolle Vertreter ihrer Ideologien (bisweilen freilich allzu auftrumpfend) agieren lässt. Dazu Carolin Hartmann als dominante Frau Tod, die Hitlers Tiraden zum Verstummen bringt, Julia Richter als Herzls Muse Gretchen und Timocin Ziegler als Sandler Lobkowitz, der zum Schluss für Hitler das Huhn Mizzi barbarisch zerlegt.

Eine reichlich makabre Pointe als Vorausschau auf die Shoa. Denn dem Holocaust lässt sich nur mit schwarzem Humor begegnen, war George Taboris Credo.

Weitere Vorstellungen am 31. Januar sowie am 4., 5. und 12. Februar. Kartentelefon: (089) 523 46 55.