München
Futter für Erzkomödianten

Martin Kusej inszenierte Eugène Labiches "Ich, ich, ich" am Münchner Residenztheater

25.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

München (DK) Das Beste kommt zum Schluss: Nach all dem Frust und Ärger mit zwielichtigen Geschäftspartnern und der lieben Verwandtschaft zieht der Hagestolz Dutrécy eine traurige Bilanz seines Lebens: „Alle denken nur an sich“ resümiert er verbittert, um schelmisch zu ergänzen: „Nur ich denke an mich.“

Ein rüstiger Rentier im aufblühenden Paris des 19. Jahrhunderts ist dieser Dutrécy. Ein eingefleischter Junggeselle aus Überzeugung mit Hang zu amourösen Abenteuern, dazu vermögend und voller Schrullen. Falsche Freunde und die gesamte Verwandtenmischpoche wollen an seinem Reichtum teilhaben. Vor allem als der von ihm als millionenschweres Spekulationsobjekt ausgespähte Garten seines ebenso schnöseligen wie durchtriebenen Hausarztes (Götz Schulte) als Filetstück eines neuen Prachtboulevards vorgesehen ist. Intrigen, Verwicklungen, Verwechslungen, (Liebes-) Schwüre und Familientragödien zuhauf, bis Dutrécys Nichtsnutz-Neffe Armand (Johannes Zirner) mit der verwitweten Diva-Tochter (Katharina Pichler) eines Bankiers (Wolfram Rupperti) in den (wohlgemerkt lukrativen) Hafen der Ehe schippert, und Dutrécys gerade dem Internat entflohene Nichte (Nora Buzalka) das Bankiersöhnchen (Thomas Lettow) sich geangelt hat.

Nicht weniger als 180 Komödien über Glücksritter und die durch Erbschaft und windige Geschäfte zu Vermögen gekommenen Spießbürger der französischen Hauptstadt zur Zeit Napoleons III. schrieb Eugène Labiche (1815–1888). Allesamt witzige Vaudevilles, die der Pariser Gesellschaft der „Belle Epoque“ den Spiegel vorhalten. Doch so satirisch wie beispielsweise „Das Sparschwein“ oder so hemmungslos chaotisch wie „Die Affäre in der Rue Loucine“ ist die 1864 uraufgeführte Farce „Moi“ (mit dem deutschen Titel „Ich, ich, ich“) leider nicht. Aber als überzeitliche Parabel verklickert diese Salonkomödie die Folgen des Verlustes aller moralischen Werte durch Egoismus und Kapitalismus doch auf reizend ironische Art.

Und wenn diese Abrechnung mit der Vermögensvermehrung durch List und Tücke so beschwingt über die Bühne rauscht, wie sie dem Intendanten Martin Kusej als Regisseur hier im Residenztheater gelungen ist, dann sind ihm und seinem prachtvoll agierenden Ensemble – trotz mancher Längen in der Textvorlage – die Lacher gewiss. Vor allem wenn Erzkomödiant Markus Hering als linkischer Parvenü Dutrécy im vogelwilden Dandy-Outfit über all die scheinheiligen Abstauber seiner Umgebung ebenso schier verzweifelt wie sein Diener (Thomas Gräßle) über die Macken seines Herrn. Köstlich auch Oliver Nägele als schmieriger Geschäftsfreund und begnadeter Choleriker, der sich in Dutrécys Vertrauen einschleicht, um beim erhofften Gewinn aus dem Grundstücksdeal und all den anderen krummen Geschäften seinen finanziellen Reibach zu machen. Ein Fiesling wie aus dem Bilderbuch der Zocker und Immobilienhaie.

Dazu entwarf Bühnenbildnerin Annette Murschetz höchst symbolisch nicht nur einen weißen Rundvorhang, durch den die von hemmungsloser Geldgier Getriebenen ins mafiose Geschehen hinein- und wieder hinausstolpern, sondern auch eine Spiegelwand, in der all die traurigen Gestalten vor sich selbst erschrecken. Rasant und mit reichlich Slapstick-Einlagen lässt Kusej diese so schmissige wie bissige Boulevardkomödie abschnurren, die das Premierenpublikum zum stürmischen Schlussapplaus animierte.

Weitere Vorstellungen am 3., 9., 21. und 24. Juni. Karten gibt es unter Telefon: (0 89) 21 85-19 40.