München
Dirigat mit Zauberei

Eine Tournee zeigt "Harry Potter"-Filme mit live gespielter Filmmusik Ab heute gastiert man im Münchner Gasteig

02.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

München (DK) Der Erfolg scheint zu Harry Potter zu gehören wie seine unverwechselbare Blitznarbe: Die Bücher sind Weltbestseller in einer Auflage von über 450 Millionen, obwohl die ersten Leser längst dem Kindesalter entwachsen sind. Ungezählte Autoren von Fanfiction tauchen ein in die Potter-Welt und spinnen sie am Internet-Lagerfeuer weiter.

Die Autorin selbst schrieb derweil ein Theaterstück sowie mit "Phantastische Tierwesen" das erste Filmdrehbuch, welches grandios umgesetzt wurde. Auch der Kommerz greift beherzt zu, in London kann man für geradezu unsittliche Summen den Valentinstag im Speisesaal des Zauberer-Internats verbringen, Grundschüler lassen den Lego-Harry fliegen oder jagen ihn durch die Nintendo-Welt, in den USA und Japan haben die Universal Studios Hogwarts gleich drei perfekt getunte Freizeitparks in "The Wizarding World of Harry Potter" geschaffen, und als Merchandise-Artikel gibt es alles Mögliche aus der Zauberwelt zu erwerben, wenn auch mit kleinem Schönheitsfehler: Das Zeug funktioniert halt nicht. Die Marke Harry Potter soll einen Wert von 15 Milliarden US-Dollar haben.

Nicht geringen Anteil daran, dass Harrys Welt nach 20 Jahren weiterstrahlt wie ein Reaktorstab nach einer Kernfusion, haben die Filme, welche Warner Brothers zwischen 2001 und 2011 veröffentlichten. Tatsächlich sind die Bilder, welche die Regisseure Chris Columbus, Alfonso Cuarón, Mike Newell und David Yates erschufen, so dicht, stimmig, trickreich und fesselnd, dass man sich ihnen kaum entziehen kann.

Man kann diese Filme streamen oder als DVD in den Schrank stellen, doch echte Fans haben 2017 einen neuen Termin im Kalender: "Der Stein der Weisen" wird derzeit mit dem aus 90 Musikern bestehenden Radiosymphonieorchester Pilsen live aufgeführt, die Bilder auf der Großleinwand und die Tonspur kommen dabei vom Datenträger. Die Filmkonzert-Tournee gastiert zunächst von heute bis zum 6. Januar in München im großen Konzertsaal im Gasteig, dann fährt der Tourbus nach Erfurt, Nürnberg, Stuttgart, Wien und Berlin. Einige Hundertausend Zuschauer müssen da schon tief in die Tasche greifen und erhöhte Kinopreise zwischen 40 und 90 Euro zahlen, um das Unterfangen rentabel zu machen. Das Dirigat obliegt dem Amerikaner Justin Freer, der schon reichlich Erfahrungen mit Filmen wie "Gladiator" oder "Star Trek" gesammelt hat und darauf schwört, dass sich der Aufwand lohnt: die riesige Leinwand, das Orchester als atmende Seele des Filmes - intensiver kann Kino fast nicht sein.

Zudem sind die Filme eine klassische Familienoase, findet Freer: "Harry Potter spricht jeden auf eine sehr umfassende Art und Weise an, sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Es ist quasi für jeden etwas dabei, sodass ein symphonisches Publikum, "Harry Potter"-Fans, aber auch Musik- und Konzertfans allgemein auf ihre Kosten kommen."

Dabei ist die Balance zwischen dem vorgegebenen Tempo des Filmes, welches Filmmusiker zum höchst exakten, der Synchronsprecherei vergleichbaren Reagieren nötigt, und den kleinen Freiheiten, die den Live-Moment erst so recht spürbar machen, seine liebste Herausforderung: "Der Trick ist, dass ich alles gleichzeitig im Blick behalte. Es ist ein anspruchsvolles Handwerk, ganz anders als beim Ballett oder in der Oper. Nicht unbedingt mehr oder weniger schwierig, nur eben völlig anders. Das Herausforderndste ist, die verschiedenen Komponenten synchron zu halten. Man hat keine Wahl: Die Bilder laufen unaufhaltsam weiter, sie warten nicht! Die Szene richtet sich nicht nach dir, du musst dich nach der Szene richten und die Musiker dabei mitnehmen."

Die Musik des Amerikaners John William immerhin ist wie gemacht für den Konzertsaal, er arbeitete weitgreifend mit symphonischen Bogen und leitmotivisch wie einst Richard Wagner. Der bald 85 Jahre alte William ist Lieblingskomponist von Steven Spielberg, hat aber auch rein Symphonisches komponiert. Er vertonte die ersten drei Potter-Abenteuer, für die weiteren haben andere Komponisten kräftig Anleihe bei ihm genommen. Die Folgefilme sollen übrigens auch noch auf Orchestertournee geschickt werden in den kommenden Jahren, auf dass die Potter-Süchtigen nicht müde werden, einem neuen Superlativ nachzujagen. Es passt viel Potter in diese Welt - auch ohne Zauberstab und Ausdehnungszauber.