München
Der Ursprung der Schöpfung

Die Foto-Ausstellung "Genesis" von Sebastião Salgado in München

08.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Paradiesische Schönheit: Sanddünen zwischen Albrg und Tin Merzouga, Tadrart. Südlich von Djanet, Algerien - Foto: Sebastião Salgado

München (DK) Ein Leopard kauert an einer Quelle, sein gemusterter Körper spiegelt sich auf der kreisrunden, glatten Wasseroberfläche und sein wacher Blick richtet sich direkt auf den Betrachter – das ist eine Aufnahme, die so perfekt erscheint, als sei sie inszeniert. Aber Sebastião Salgado hat sie gefunden, jene Momente von zeitloser Schönheit, er hat die Kamera im richtigen Winkel gehalten, damit die Symmetrie stimmt.

Eine Fülle von 250 Fotografien von Salgado zeigt jetzt die Versicherungskammer Kulturstiftung in ihrem Kunstfoyer.

Bekannt wurde Salgado einem breiten Publikum spätestens durch den Film „Das Salz der Erde“ von Wim Wenders, der das Leben und Werk des Brasilianers verfilmte. Salgado selbst widmete zwei Foto-Reihen den körperlich schwer arbeitenden Menschen und den Flüchtlingen. Weil er aber in seiner beruflichen Laufbahn so viel Not und Hunger, Kriegselend und Leid gesehen und dokumentiert hat, schloss er diese Themenkreise ab und startete sein Projekt „Genesis“, das seit 2013 als Foto-Ausstellung um die Welt tourt und bereits von drei Millionen Besuchern gesehen wurde. In Deutschland macht die Schau nach Berlin jetzt in München Station und überzeugt durch ein klares Farbkonzept, eine thematisch geordnete Hängung, informative Beschriftungen und durch eine Bildsprache, die fast keiner Worte bedarf.

„In ,Genesis’ sprach die Natur durch meine Kamera zu mir. Und ich durfte zuhören“, mit diesen Worten umschreibt Salgado sein Projekt. Nachdem er die zerstörerische Wirkung der sogenannten zivilisierten Menschheit jahrzehntelang dokumentiert hatte, wendet er sich jetzt den Pflanzen und Tieren, der unberührten Landschaft und den letzten Vertretern indigener Völker zu. Nach seiner Erkenntnis sind noch immer 46 Prozent der Landmasse auf der Erde so unberührt wie am Tag der Schöpfung, und nach diesem „Ursprung“ (lateinisch „Genesis“) suchte er auf 32 Reisen. Die Motive, die er in diesen acht Jahren entdeckte, hat seine Frau Lélia Wanick Salgado in fünf Ausstellungs-Kapitel untergliedert mit den Titeln „Im Süden der Erde, Zufluchtsorte, Afrika, Nördliche Welten, Amazonien und Pantanal“.

Unberührte Landschaften finden sich vor Europas Haustür – etwa die Sandwüste Algeriens mit ihren scharfen Licht- und Schatten-Kontrasten. Salgado zeigt sie menschenleer, nur vom Wind bewohnt, der seine Spuren hinterlässt. Und er fotografiert sie, wie alle Winkel der Welt, in Schwarzweiß, denn es gehört zu seinen Grundsätzen, auch hartnäckigen Chefredakteuren keine Farbfotos anzubieten. Salgado richtet seine Aufmerksamkeit auf Strukturen, etwa die Staffelungen von Leibern – seien es die von einer zusammengedrängten Elefanten-Sippe in Afrika oder die von Ureinwohnerinnen Brasiliens, die ihre Haut mit Pflanzen färben. Er sucht den Überblick aus einem Ballon, der über einer Tierherde schwebt, und er kriecht am Boden, um den geschuppten Fuß einer Echse zu fotografieren. Was er findet, ob in der Totale oder in der Nahaufnahme, sind Augen-Blicke wie aus Träumen.

Die seltenen Aufnahmen von Menschen, die noch kaum mit der sogenannten Zivilisation in Berührung kamen, offenbaren, dass nichts so verschieden ist wie das jeweils gültige Schönheitsideal: Vom Schlamm-Menschen in Papua Neuguinea bis zu äthiopischen Frauen mit Löffel-Lippe. Für den 71-jährigen Fotografen haben die berückend schönen und ruhigen Bildkompostionen aber vor allem eine Botschaft: Es geht darum, diese Erde zu schützen, ihre Ursprünglichkeit und ihre Artenvielfalt zu bewahren. Deshalb engagiert er sich selbst seit 1990 für ein Umweltprojekt in seinem Heimatland Brasilien, das unter dem Titel „Instituto Terra“ die Aufforstung der brasilianischen Atlantikküste zum Ziel hat.

Bis 24. Januar im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung, München, Maximilianstraße 53, täglich von 9 bis 19 Uhr, Sonntags-Matinee mit dem Film von Wim Wenders: Infos unter www.museum-lichtspiele.de