Mering
Helden aus Papier

07.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:16 Uhr

„Dies Bildnis ist bezaubernd schön“: Tamino (rechts) erblickt Pamina zum ersten Mal und beschließt, sie zu retten. - Foto: Multum in Parvo

Mering (DK) Der Zuschauerraum ist in erwartungsvolles Dunkel gehüllt. Vorne stimmt sich das Orchester im schwachen Probenlicht ein. Dann verlischt auch dieses. Der Vorhang hebt sich. Und Taminos Schreckensschrei erfüllt den Raum: „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren!“. Die Schlange ist hier ein furchterregend grüner Drache und der Prinz eine Pappfigur mit markanten Zügen, aufrechter Haltung und kühnem Blick. Ein Held, der – wir wissen es – alle Prüfungen bestehen und am Ende Pamina freien wird. Der Beifall des Publikums wird ihm sicher sein.

Seit Jahren führt Mozarts „Zauberflöte“ die Opern-Hitliste an. Kein Wunder, dass sich Benno Mitschka und Christine Schenk entschieden haben, gerade damit ihr kleines Opernhaus „Multum in Parvo“ zu eröffnen. Ein ungewöhnlicher Ort und ein ungewöhnliches Vorhaben. Denn ihr kleiner Laden in Mering bei Augburg, in dem sie verschiedenste Papiertheater ausstellen, Kulissen, Figurenbögen und Texthefte verkaufen, verwandelt sich an den Wochenenden nun in ein Opernhaus. Auf weißen Gartenstühlen sitzt das Publikum und blickt auf eine kleine Bühne – und das Drama, das sich dort entwickelt.

Dabei geht es den beiden nicht um historische Genauigkeit – was die Papiersets anbelangt, sondern vor allem darum, die Lust an dieser lange vergessenen Kulturform, die ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert erlebte, wieder zu wecken. Und so werden für die zwölf Kulissen ihrer „Zauberflöten“-Inszenierung opulente Bühnenbilder und Figuren der Verlage Scholz und Trentsensky gemischt. Eine ausgeklügelte Lichtregie und effektvolle Computeranimationen sind der eigentliche Clou, denn die (rund 90) Flachfiguren, die von den beiden Spielern hinterm schwarzen Vorhang einzeln und in Tableaus mit klassischen Schiebern bewegt werden, verharren ja unveränderlich in ihren Posen.

Die größte Herausforderung aber war für Benno Mitschke, das Dreistundenwerk auf eine Stunde Spielzeit zu kürzen. Denn die Erfahrung hat gezeigt: „Eine Stunde ist die optimale Länge für diese Kunstform“, sagt Christine Schenk. Bei der Musik griffen sie auf eine Aufnahme von 1938 zurück: Mit Sir Thomas Beecham am Pult der Berliner Philharmoniker, Erna Berger als Königin der Nacht und Gerhard Hüsch als Spaßvogel Papageno. Es gibt aber bereits Pläne, auch mit Livemusik zu arbeiten.

Die einstündige Fassung – natürlich sind die bekannten Ohrwurm-Arien wie „Der Vogelfänger bin ich ja“ und „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ zu hören – erweist sich als rund und als gelungene Kombination aus Alt und Neu. Theater für die ganze Familie, das sogar Lust macht, sich selbst mal als Regisseur zu versuchen – und die Papierpuppen tanzen zu lassen.