Ingolstadt
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Der Ingolstädter Berufsverband Bildender Künstler zeigt "Die Neuen"

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr
Foto: Karin Derstroff −Foto: Derstroff

Ingolstadt (DK) Die Überraschung wartet im kleinen Kabinett der großen Harderbastei: tote Vögel. Oder besser: Aufnahmen von toten Vögeln. Hyperrealistisch, extrem tiefenscharf; freigestellt auf weißem Hintergrund ein jeder Körper. Ist das nicht eklig? Im Gegenteil. Von poetischer Schönheit sind die Wesen mit der feinen Zeichnung ihres Federkleids, die zu träumen oder zu schlafen scheinen; nur hie und da eine geballte Kralle, ein allzu starres Auge geben Hinweis auf das, was der Titel behauptet: "Broken". Aus Leben ist Objekt geworden. So erzählt man Geschichten. So macht man Kunst.

Von Dieter Jungwirth stammen diese Fotografien; er ist eines der 15 neuen Mitglieder des Ingolstädter Berufsverbands Bildender Künstler (BBK), die man nun unter dem Titel "Die Neuen" in der verbandseigenen Galerie präsentiert. Und seine Vita ist, wenn nicht exemplarisch, so doch nicht ungewöhnlich für die Neuaufnahmen: Diplombiologe ist Jungwirth, 55 Jahre alt und künstlerisch Autodidakt.

Tatsächlich hat der Großteil der neuen Mitglieder die 40 schon überschritten, und knapp ein Drittel kommt aus anderen Berufen zur Kunst. Der 60-Jährige Sergio Digitalino etwa, der mit Acrylglasobjekten, mit Wellen und Faltungen in Weiß und Blau, die meisten der wenigen Objekte der Schau stellt. Oder Johannes Hauser: Der studierte Soziologe arbeitet als Journalist und Fotograf beim Donaukurier; erst im Januar bestritt er eine Einzelausstellung mit seinen vom Boden aus "nach oben" aufgenommenen Arbeiten in extremem Weitwinkel, die die Wirklichkeit von Gebäuden zugeich verfremden und verdeutlichen. Oder Agnes Krumwiede, knapp unter 40, studierte Konzertpianistin und einst Bundestagsabgeordnete der Grünen, die sich nun auf Malerei verlegt hat und träumerische Bilder (ein Biergartenbesuch, ein tanzendes Paar) präsentiert, deren passgenaue Gegenständlichkeit aufgehoben wird wie auf verschwommenen Fotografien.

Ja, es ist viel Gegenständliches zu sehen in dieser "Neuen"-Schau, auf freilich zeitgemäße Weise. Denn Abbildungen als solche gibt es nicht, auch wenn das Motiv noch so präzise eingefangen zu sein scheint. Das beweist auf eine berückende Weise Dorina Cziszàr, mit 30 Jahren die jüngste der Neuaufnahmen und akademische Künstlerin. Unter dem Titel "Canal grande" hat sie mit Tusche und Kohle schlicht Leitungs- und Rohrverbindungen aufs ausgeprägte Querformat gebracht: Ihr "Interesse an mechanischen Maschinen jeder Art", das sie im kleinen Ausstellungskatalog bekundet, wird hier zur Schönheit des Alltäglichen ebenso wie zur fast philosophischen Studie von Lebensverzweigungen, von Fluss, Blockade, Kreuzungen. Und auch Anette Glück, Kunsterzieherin am Scheiner-Gymnasium in Ingolstadt, die schlicht Kinderkittel auf Kleiderbügeln ("Zara") malte, beherrscht das Kunststück, hinter dem Sichtbaren das Unsichtbare zu beschwören. Das tut in gewisser Weise Bodo Rott, einst Meisterschüler an der Hochschule der Künste in Berlin, mittlerweile durch eine eigene Galerie vertreten, ebenfalls, wenn auch auf ganz andere Weise: Sein großformatiges Ölbild aus zeichnerischen Pattern aus Blüten, Gekrösen, Tieren schickt den Betrachter in den Untergrund vielleicht der unheimlichen Seele.

Denn natürlich gibt es auch Abstraktes, Anabstrahiertes, vielleicht sogar Konkretes (in einer von der Decke hängenden Rechtecksskulptur Aleksandra Lungs) in dieser Schau, die insgesamt mit ordentlicher Qualität zu punkten weiß. Neue Medien freilich fehlen, künstlerische Experimente auch. Und so fügen sich die "Neuen" nahtlos ein ins Repertoire des BBK und zeigen dessen Status quo.

 

Bis 9. Oktober, Do. bis So. und feiertags von 11 bis 18 Uhr.
Am Samstag, 8. Oktober, findet ab 18 Uhr eine Finissage mit Künstlergesprächen statt. Das Ende ist für 23 Uhr geplant.