Ingolstadt
Virtuosität auf die Spitze getrieben

Das Pianoduo Genova & Dimitrov gastiert beim Konzertverein Ingolstadt

26.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Souverän koordiniertes Spiel: Aglika Genova und Dimitrov im Ingolstädter Festsaal - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Eine Morgenstimmung lebt von Farbe und Atmosphäre, und das berühmte Stück dieses Titels von Edvard Grieg wirkt demgemäß mehr durch Orchesterklang als durch seine musikalische Struktur – auf dem Klavier also eher dürftig. Insofern brachte die letzte Zugabe des Pianoduo Genova & Dimitrov noch eine Offenbarung: So klangzart, so voller Licht, Luft und Leben, so schwebend zwischen Himmel und Erde hat man Griegs „Morgenstimmung“ noch nicht gehört.

Noch einmal bestätigt sich: Aglika Genova und Dimitrov bilden (zumindest musikalisch) einen einzigen atmenden und empfindenden Organismus mit vier Händen. Das Publikum des Konzertvereins hat die beiden dann auch hörbar ins Herz geschlossen.

Am Anfang aber stand gleich das künstlerisch bedeutendste Werk des Programms, „En Blanc et Noir“ von Claude Debussy. Dass dieses 1915 entstandene Stück mit nationalistischem Ingrimm gegen den deutschen Feind geladen ist, hört man ihm nicht an, und schon gar nicht in dieser luziden, fein ausgehörten Interpretation. Man spürt eher die Freiheit und Schönheit von Debussys naturhaft ungebundenem Stil, der sich hier, ohne der Farben noch zu bedürfen, in Reinform ausprägt. Wie ein Spiel verflüssigter Kristalle fließt die Musik dahin, so wenig berechenbar wie ein Windstoß, der über Wasser fährt. Erstaunlich, wie präzis die Klaviere in diesem durch kein Kontinuum abgesicherten Ablauf ineinandergreifen, homogen, transparent und scheinbar ganz natürlich. Wie von der Äolsharfe wehen die fragilen Melodien im langsamen Satz daher, ergreifende Klage der Natur über die sich bekriegenden Menschen. Weit harmloser kommen die Beethoven-Variationen op. 35 von Camille Saint-Saëns daher – ein klassizistisches Spiel für zwanzig flinke Finger. Beethovens Trio aus der Klaviersonate 0p. 31/3 setzt eine Reihe von Spielfiguren und Motiven in Gang, mit denen die zwei Klaviere in stetem Wechsel brillieren. Würden Genova & Dimitrov nicht so fesselnd spielen, zöge sich das etwas etüdenhaft dahin, bis eine kunstvolle Fuge der Sache die Krone aufsetzt.

Derartige Schlussfugen sollten in der klassischen Musik dem Werke gebührenden Ernst verleihen, und so zeugt es von charmantem Humor, wenn Anton Arensky so eine Fuge (im Geiste des großen Bach) an den Anfang setzt und sein Werk von einer feurigen spanischen „Tänzerin“ beenden lässt. „Silhouetten“ nannte er eine Suite für zwei Klaviere (1892), die verschiedene Typen mittels leicht ironisch angehauchten Stilimitationen porträtiert: „La Coquette“ kleidet sich etwa in mondäne Salonmusik mit launischen Gesten, „der Träumer“ schwelgt à la Liszt zwischen Poesie und Pathos. Diese geistreiche Musik ist wirklich eine Entdeckung, und zum Glück gibt es von Genova & Dimitrov, die sie kongenial interpretieren, eine ganze Arensky-CD.

Zum Repertoire für zwei Klaviere gehören auch Orchesterbearbeitungen. Eine Suite aus Prokofjews „Cinderella“ hat ein gewisser A. Gotlieb pianistisch äußerst wirkungs- und anspruchsvoll arrangiert. Genova & Dimitrov gebieten souverän über die Klangmassen, ja projizieren die Musik auf eine derart große Leinwand, dass man nicht nur das Orchester nicht vermisst, sondern sich auch das Bühnengeschehen plastisch vorstellen kann. Und furioser noch das letzte Werk: Witold Lutoslawskis „Paganini-Variationen“. Was man nicht alles auf 176 Tasten anstellen kann! Hier scheint die Virtuosität des 19. Jahrhunderts nochmals transzendiert, aus dem Geist der Moderne, motorisch auf die Spitze getrieben. Manchmal ist es, als würde eine überdrehte Maschine seltsam gestanztes Zeug auswerfen, natürlich in irrstem Tempo. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich, wie Genova & Dimitrov noch immer sauber und souverän koordinieren. Großer Applaus für ein wirklich ganz großes Konzert.