Ingolstadt
Tilman Birr gastiert bei den Ingolstädter Kabaretttagen

05.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Ergreift nie eindeutig Partei: Tilman Birr in der Neuen Welt. - Foto: lei

Ingolstadt (DK) Beamte sind arbeitsscheu. Was nichts kostet, taugt nichts. Die Deutschen sind humorlos, die Schotten geizig. Englisches Essen ist furchtbar, englisches Wetter auch. - Hoch lebten das Vorurteil und das Brett vor dem Kopf derer, die es wie besinnungslos nachplappern, hoch lebe die geistige Beschränktheit all derer, die sich selbst für den Nabel der Welt halten. - Und hoch lebe Tilman Birr, der sich dieser Thematik in der Neuen Welt anlässlich der Kabaretttage annimmt.

"Holz und Vorurteil - Zwischen Brett und Kopf" heißt sein vielseitiges Programm aus Geplauder, Liedern und Erzählungen, aus Erlebtem und Gedrucktem, in dem er das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, wobei recht schnell klar wird, dass sich Birr genüsslich in der Grauzone zwischen Bestätigung und Widerlegung von vorgefassten Meinungen eingenistet hat, die Sache für ihn so einfach also nicht ist. "Das Thüringische ist ein furchtbarer Dialekt", sagt er, was wohl mancher im Saal unterschreiben würde. Aber hört er sich nicht augenblicklich geradezu lieblich an, wenn die Angebetete aus Erfurt kommt. Alles hat zwei Seiten, vor allem dann, wenn die Brille rosarot beschlagen oder deren Träger aufgrund emotionaler Verstrickungen mit völliger Blindheit geschlagen ist. Dialekt im Dienste der Dialektik also? - Auf jeden Fall, denn auch die Imitation anderer regionaler Sprechformen gehört zu seinen großen Stärken.

Weil Birr also nie ganz eindeutig Partei ergreift, ist er auch nur schlecht zu fassen. Pro und Contra sind in ihrer Absolutheit zwar im Hintergrund immer präsent, über allem jedoch schwebt das große "Aber". Vermutlich deswegen ist er auch nicht auf die schnelle Pointe aus, nicht auf den lautstarken Brüller und den Schenkelklopfer. Viel lieber ist ihm, wenn sein Publikum zum Nachdenken kommt, ihm bei seinem Spiel mit der vorgefassten Meinung und der Borniertheit folgt in die Grauzone, in der sich alles relativiert.

"Wo gelacht wird, fehlt die Substanz," sagt er an einer Stelle des Programms. - Wahr oder nicht wahr? Beides, denn zwischen den unsäglichen Comedians im Brüll-TV und einem wie ihm selbst liegen ja nun tatsächlich Welten. Und die These "Karneval bedeutet: Lachen nur in Uniform!" ist nicht nur glänzend formuliert, sondern auch wahr, wird aber postwendend dennoch widerlegt durch die Tatsache, dass Birrs Auftritt an einem Unsinnigen Donnerstag stattfindet und man die Maskierten im Saal an den Fingern einer Hand abzählen kann. - Tilman Birr bei den Kabaretttagen: Welch schöne Alternative zum kalendarisch verordneten Frohsinn!