Wolfsburg (DK
VW zieht die Bremse

Wegen Abgas-Skandal: Konzern verschiebt Bilanzvorlage und Hauptversammlung

05.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Wolfsburg (DK) Der Skandal um die millionenfach eingesetzte Betrugs-Software wirft bei Volkswagen nun auch die zwei wichtigsten Finanztermine über den Haufen: Bilanzvorlage und Hauptversammlung. Es gibt schlicht zu viele offene Fragen.

Neuer Rückschlag für VW: Die Unklarheiten bei den finanziellen Folgen des Abgas-Skandals zwingen Europas Branchenprimus zur Verschiebung seiner mit Spannung erwarteten Bilanzvorlage am 10. März. Mehr noch: Auch der Hauptversammlungstermin, zu dem sechs Wochen später am 21. April die VW-Aktionäre zusammenkommen sollten, ist wegen zu vieler ungeklärter Fragen nicht mehr zu halten.

Ein VW-Sprecher betonte am Freitag: "Wir wollen durch diesen Schritt für VW größtmögliche Klarheit schaffen, auch im Interesse unserer Aktionäre und Stakeholder." Unberührt von den Terminabsagen ist der Plan, in der zweiten Aprilhälfte Zwischenstände zur Schuldfrage zu geben. Dieses Ziel bei der Aufklärungsarbeit zur Affäre um weltweit elf Millionen manipulierte Diesel-Autos hatte VW erst Ende Januar bekräftigt. Mit dem Bericht, der ursprünglich für den 21. April geplant war, will Europas größter Autobauer einen "substanziellen Bericht" abliefern - "insbesondere über den Ablauf der Ereignisse und die Frage, welche Abteilungen und hierarchischen Ebenen wann und wie informiert und involviert wurden".

In VW-Aufsichtsratskreisen hieß es, die Verschiebung werde natürlich als "klassischer Krisenindikator" gewertet. Dená †noch sei die Absage kein Drama. Innerhalb des Gremiums habe Übereinkunft bestanden, dass der Schritt richtig sei, weil dadurch die Qualität des Jahresabschlusses verbessert werde. Zudem stehe der Termin für den Bericht über die Aufklärung der Verfehlungen.

Auch die Porsche Automobil Holding SE in Stuttgart muss wegen des Schritts von Volkswagen auch ihre Termine für die Bilanzvorstellung und die Hauptversammlung verschieben. Hintergrund: Die Porsche SE ist mit derzeit 30,8 Prozent an der Volkswagen AG beteiligt. Für die Erstellung des eigenen Jahres- und Konzernabá †schlusses müssen aber erst einmal die Zahlen von VW vorliegen. Über neue Termine für die ursprünglich am 15. März geplante Bilanzvorlage und die für den 4. Mai vorgesehene Hauptversammlung werde "die Porsche SE zeitnah informieren", hieß es in Stuttgart. Die geplanten Termine für die Bilanzvorlage von Audi am 3. März und die Hauptversammlung am 12. Mai seien von der VW-Entscheidung unberührt, sagte ein Sprecher der VW-Tochter.

Der Abgas-Skandal war zuerst in den USA aufgeflogen. Schließlich erfasste das Diesel-Debakel auch Europa und Deutschland. 8,5 der 11 Millionen Diesel-Fahrzeuge muss VW auf dem Heimatkontinent zurückrufen, rund 2,5 Millionen sind es allen hierzulande. Zur Quartalsbilanz im vergangenen Herbst hatte der Konzern gut 6,7 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. Sie bezogen sich aber weitgehend auf den Rückruf in Europa.

Denn anders als daheim sind in den USA weitaus mehr Fragen offen. Dort scheint ein Rückrufplan für fast 600 000 Wagen, der auch den Behörden zusagt, in weiter Ferne. Anders als daheim muss der Autobauer in den USA möglicherweise auch betroffene Wagen zurückkaufen. In den Vereinigten Staaten ist zudem das Verhältnis zu den Regulatoren frostig. Die USA haben VW sogar verklagt, es drohen milliardenschwere Strafen.

Auslöser der Terminabsagen sind laut VW "noch offene Fragestellungen im Zusammenhang mit den Folgen der Abgas-Thematik und den daraus resultierenden Bewertungsfragen". Aus Konzernkreisen verlautete, dass die Terminverschiebung vor allem der Lage in den USA geschuldet sei.

Für börsennotierte Unternehmen gelten Vorschriften für das Verbuchen finanzieller Risiken - etwa aus Klagen - und auch für wahrscheinliche Belastungen wie Rückkäufe oder Rückrufe. In welche Quartale diese Kostenblöcke fallen, muss genau geprüft werden. Dafür brauchen die Buchhalter aber möglichst viel Gewissheit. Das wiederum beeinflusst die nächste Prognose. Dieser Hintergrund könnte auch die Lage bei VW erklären.