Im Wirtschaftswunderland

14.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr
„So ein Badewannentango weckt in der Wanne das Kind im Manne“, singt Richard Putzinger (links). Die Badewanne ist sein Lieblingsrequisit im Liederabend „Irgendwo, irgendwann“. Das von Antje Rietz (neben ihm) ist eine Zahnspange. Regisseur Tobias Hofmann (rechts) mag im „Requisitengedöns“ vor allem diesen Kaktus. Und Statist Klaus Staudinger eine Katze, die aussieht wie ein Kaninchen ohne Ohren. Ausstatterin Katrin Busching (hinten) liebt den riesigen Bühnenhimmel. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Tobias Hofmanns Liederabend „Irgendwo, irgendwann“ erzählt von der Liebe und
vom kleinen Glück im Nachkriegsdeutschland – mit Schlagern der 50er- und 60er-Jahre. Am Freitag ist Premiere im Stadttheater Ingolstadt.

Wir befinden uns im Nachkriegsdeutschland. Die Wirtschaftshilfen der Amerikaner, die Währungsreform und ein starker Aufbauwille verhelfen dem Land in den 50er- und 60er-Jahren zu einem einzigartigen Wirtschaftsboom – dem Wirtschaftswunder. Das Bruttosozialprodukt steigt, die Arbeitslosigkeit geht zurück, der materielle Wohlstand wächst – und die Sehnsucht nach der Ferne auch. Ganze VW-Käfer-Karawanen kämpften sich im Sommer über den Brenner nach Italien. Und in den Schlagern der Zeit wird das kleine Glück besungen. „Irgendwo, irgendwann“ heißt der musikalische Abend von Tobias Hofmann, der „eine Liebe in den Wirtschaftswunderjahren“ besingt und am Freitag im Großen Haus des Stadttheaters seine Uraufführung erlebt.

Das kleine Städtchen hat natürlich eine Bar. Hier trifft man sich – bei Dolores. „Eine Bar ist ein schöner Pool für Lieder“, meint Tobias Hofmann und zitiert einen Schlager aus den 50ern: „Der schönste Platz ist immer an der Theke.“ Hier findet auch eine zufällige Begegnung statt zwischen einem Mann und einer Frau. Er heißt Egon „Peter“, sie Anneliese – und gesungen und gespielt werden sie von Richard Putzinger und Antje Rietz, die als Gast wieder aus Berlin anreist.

„Das ist so ein Schüchterner, Verklemmter“, beschreibt Richard Putzinger seine Figur. „Irgendwann stößt er in der Kneipe auf ein Mauerblümchen, nimmt all seinen Mut zusammen und fordert sie zum Tanzen auf.“ Das Mauerblümchen kommt aus einem strengen Elternhaus mit einer dominanten Mutter und sehnt sich „nach Freiheit, Abenteuer und Testosteron“. Antje Rietz lacht. Diese Produktion ist musikalisch „voll mein Ding“. „Als andere in ihrer Pubertät Rock und Pop und Punk gehört haben, habe ich Caterina Valente und Glenn Miller gehört. Ich kannte fast alles, was wir da singen.“ Ihr Lieblingslied? „Das machen nur die Beine von Dolores“, sagt Antje Rietz. Obwohl sie da nur zuhört.

Nach dem entzückenden Liederabend „Abends, wenn die Lichter glühn“ mit Liedern aus den 20er- und 30er-Jahren hat sich Tobias Hofmann nun die 50er- und 60er-Jahre vorgenommen , wechselt vom Kleinen ins Große Haus und träumt davon, irgendwann mal „durch das ganze Jahrhundert zu gehen – das wäre die logische Konsequenz“. Wieder wird es ein Abend, der sich nur über die Lieder erzählt. Im Gegensatz zu den 20er- und 30er-Jahren, als die Lieder noch „sehr komplex, sehr virtuos, harmonisch sehr anspruchsvoll“ waren, wird die Musik in den 50er-Jahren „sehr einfach, sehr schlicht – aber das passt auch zu den Texten“, erklärt Tobias Hofmann. Die erzählen von der Suche nach dem kleinen privaten Glück, von der Sehnsucht nach heiler Welt, aber auch Fernweh. Bibi Johns, Vico Torriani, Peter Alexander oder Evelyn Künneke heißen die Protagonisten der Zeit. Bei ihren Schlagern hat sich der Regisseur und musikalische Leiter des Theaters bedient. Aber natürlich wird auch das „Chanson vom Wirtschaftswunder“ erklingen. Es wird keinen gesprochenen Text geben, alles soll sich über die Schlager erzählen.

Und die Bühne? „Ich glaube, ich habe noch nie so viele Modelle für ein Stück gebaut wie für dieses – vier oder fünf sehr unterschiedliche Modelle“, erklärt Ausstatterin Katrin Busching, die mit Hofmann schon bei „Abends, wenn die Licht glühn“ zusammengearbeitet hat. Und neben ihrer Arbeit als Bühnen- und Kostümbildnerin auch ein eigenes Modelabel (www.nadelarbeit.com) hat. „Wir hatten viele Ideen.“ Vor allem aber haben sie sich vom Titelsong inspirieren lassen – „Irgendwo, irgendwann fängt ein kleines Märchen an“ – und die Bühne in ein buntes Bilderbuch verwandelt. „Es war von Anfang an klar, dass wir einen riesigen Himmel haben möchten. Und: Der Malsaal hat einen wunderschönen Himmel gemalt“, schwärmt sie. Auch die Requisite hat viel zu tun. „Ich liebe dieses Requisitengedöns“, meint Tobias Hofmann lachend. „Die Requisite bekommt regelmäßig von mir Süßigkeiten, um die Mitarbeiter bei Laune zu halten“, verrät Katrin Busching. „Weil die wirklich wahnsinnig viel leisten.“

Richard Putzingers Lieblingsrequisit ist beispielsweise eine Badewanne. „Die ist ungefähr einen Meter lang. Das ist eine große Herausforderung. Erst mal: Wie stapel ich da meine Gliedmaßen rein? Und dann muss ich ja auch noch das Lied singen. Dieser Badewannen-tango von Peter Alexander ist für mich eine der schönsten Nummern.“

Das Lieblingsrequisit von Antje Rietz? „Die Zahnspange!“ Das von Klaus Staudinger neben einer zerrupften Katze vor allem ein mobiles Lagerfeuer, das sich an- und ausknipsen lässt. Er ist einer von sechs Statisten, die neben den acht singenden Schauspieler und den neun Musikern in der Produktion mitwirken, mimt beispielsweise einen Kriegsversehrten, ist Teil einer Hochzeitsgesellschaft und einer der Gastarbeiter (schließlich ist auch die Anwerbepolitik italienischer Arbeiter Teil des deutschen Wirtschaftswunders). In mehr als 30 Produktionen in Ingolstadt hat Staudinger bereits mitgewirkt – und am liebsten in den musikalischen.

Uraufführung ist am Freitag, 17. Februar, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.