Ingolstadt
Ergreifender Trauergesang

10.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:27 Uhr

Glänzende Interpreten: Unter der Leitung von Reinhold Meiser sang der Kammerchor Ingolstadt in der Kirche St. Matthäus - Foto: Fröhlich

Ingolstadt (DK) Am 9. November 1938 hatte das Grauen in Deutschland seinen Auftakt mit der Reichspogromnacht. Exakt 75 Jahre später führte der Kammerchor Ingolstadt unter Leitung von Reinhold Meiser in der Ingolstädter Matthäuskirche zum Gedenken das „Psalmenkonzert 1938“ auf.

Die Musik stammt vom Komponisten Karl Scharnweber, die Texte von Theologieprofessor Eckart Reinmuth – beide sind aus Rostock. Das Werk wurde zum 60. Jahrestag der Reichspogromnacht 1998 in der Rostocker Nikolaikirche uraufgeführt und einige Jahre später schon einmal in Ingolstadt zu Gehör gebracht. Die Komposition ist in sieben Stücke gegliedert. Diese werden vom Chor, einer Sopran- sowie einer Altstimme und einem Instrumentalensemble, bestehend aus Klavier, Cello, E-Bass, Saxofon und Querflöte, gestaltet. Der Chor spielt dabei die Rolle des Volkes, das zunächst Gott lobt, dann an ihn fleht, später an ihm zweifelt und ihn infrage stellt. Ganz am Ende, wo sich zudem ein musikalischer Paradigmenwechsel einstellt, wird das Volk mit einem neuen Himmel und einer neuen Erde versöhnt. Der Kammerchor Ingolstadt meisterte dieses sehr schwierige Stück vorzüglich. Die Sänger interpretierten die Verzweiflung, die Dramatik und die Anklage gekonnt mit exaktem, intonationsreinem Gesang und packender Dynamik. Gerade beim letzten Teil, bei dem wilde Rhythmik und Harmonik zusammenfallen, wurde die intensive Konzentration der Sänger spürbar.

Die konkreten Texte der Psalmen, die wenig Raum für Assoziationen und religiöser Symbolik ließen, sondern die nackte Realität dieses 9. November 1938 beschreiben, intonierten Altistin Kerstin Rosenfeld und Sopranistin Magdalena Dijkstra. Mal im Wechselgesang, mal im Unisono mischten sich der erdige Alt und der glockenhelle Sopran. Die Musiker begleiteten in diesem Stück nicht nur, sie waren ein ebenbürtiger Bestandteil. Norbert Templer blies Saxofon und Querflöte, Johannes Göller zupfte den E-Bass, Christine Roider strich das Cello und Maximilian Hacker spielte Klavier. Das Cello, mit langen, monotonen Tönen, ließ die unwissende Verzweiflung erklingen. E-Bass und Klavier, entweder mit vielen dissonanten Intervallen oder unterschwelligen Dreiklängen, symbolisierten immer wieder die Gefahr und versinnbildlichten den anrückenden Dämon. Tenorsaxofon und Querflöte unterstrichen das Ganze mit improvisierenden Kadenzen. Die hervorragenden Musiker brachten dieses großartige Werk auf den Punkt.

Zudem war es wunderbar, dass sich die Organisatoren die Mühe gemacht hatten und einen großen Flügel in den Altarraum der Kirche stellten. Ein einfaches E-Piano hätte keine so große Wirkung vermittelt.

Am Ende, bevor der Applaus losbrach: lange, meditative und fast schon bedrückende Stille.