Ingolstadt
Der beste Liebeslogistiker

Unser neuer Fortsetzungsroman: "Die Zweisamkeit der Einzelgänger"

08.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr

Ingolstadt (DK) Joachim Meyerhoff (50), dessen jüngsten Roman "Die Zweisamkeit der Einzelgänger" wir ab kommenden Dienstag als Fortsetzungsroman auf unserer Magazinseite abdrucken werden, ist eine verblüffende Doppelbegabung. Sein Wunschberuf war zweifellos die Schauspielerei, zum Autor wurde er mehr oder weniger durch Zufall. Mit beiden Berufen steht er heute im Zenit seines Erfolgs, gerade wurde er etwa von Kritikern der Zeitschrift "Theater heute" zum Schauspieler des Jahres 2017 gewählt - ein Preis neben vielen anderen, mit denen er in den vergangenen Jahren geehrt wurde. Bekannter dürfte er allerdings inzwischen als Romancier sein. Seine vier Romane sind alle Bestseller, kürzlich erst hat er seinen neuen Roman in der Hamburger Elbphilharmonie vorgestellt - der Saal war brechend voll.

Zum Schriftsteller wurde Meyerhoff durch das Theater. Engagiert am Wiener Burgtheater begann er vor rund zehn Jahren unter dem Titel "Alle Toten fliegen hoch" ein autobiografisch gefärbtes Programm als Einpersonenstück vorzustellen. Das kleine Stück war in sechs Abende unterteilt und brachte ihm regelmäßig ein volles Haus. 2009 wurde er damit sogar beim Berliner Theatertreffen eingeladen. Vom Theaterprojekt war es nur ein kleiner Schritt zum Romanzyklus. Der erste Band erschien 2011 unter dem Titel "Amerika" und handelte von einem Austauschjahr des damals 18-Jährigen in Wyoming. In den folgenden Jahren erschienen weitere fantasievoll-autobiografische Memoiren, der Band "Die Zweisamkeit der Einzelgänger" ist der vierte und offenbar letzte im Zyklus.

Verständlich sind alle Teile auch ohne die Kenntnis der anderen Bände. Denn Joachim Meyerhoff ist ein brillanter Geschichtenerzähler, seine Romane zerfallen fast schon in anekdotenhaft zugespitzte Storys, voller Situationskomik, manch-mal wie in Worte gefassten Slapstick. Sie funktionieren für sich, selbst wenn man über das narrative Umfeld kaum etwas weiß. Und sie haben bei aller sprachlichen Virtuosität immer etwas Theatralisches, Situatives.

In den drei ersten Romanen hat Meyerhoff von seiner Jugend als Sohn eines Direktors einer psychiatrischen Klinik berichtet, von seinem Amerika-Aufenthalt, dem Unfalltod eines seiner Brüder, seiner Ausbildung als Schauspieler an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule, wo er bei seinen Großeltern wohnte, der Schauspielerin Inge Birkmann und dem Philosophen Hermann Krings.

Mit seinem Hang, sein eigenes Leben autobiografisch zu verarbeiten, wirkt Meyerhoff ein wenig wie ein kleiner Bruder des großen norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgard. Wo jener allerdings mit größtmöglicher Ehrlichkeit, mit geradezu depressiver Akribie sein Leben auseinandertüftelt, ist Meyerhoff eher ein stets heiterer Selbstironiker. Man spürt bei Meyerhoff förmlich die Freude des Darstellers am Applaus des Publikums, den Drang, die Erzählung so brillant, so pointiert voranzutreiben, dass der Leser oder der Zuhörer das Ende kaum erwarten kann. Manche Abschnitte sind so fulminant, so treffend formuliert, dass man ständig versucht ist, einzelne Sätze Freunden und Familienmitgliedern laut vorzulesen.

Im vierten Band ist Meyerhoff Provinzschauspieler - in Bielefeld - und endlich verliebt. Aber so unkompliziert und normal, wie das sonst meist abläuft, ist das bei ihm natürlich nicht. Auch in Liebesdingen ist alles übertrieben, entwickeln sich die einfachsten Umstände zum Verhängnis, zur Tragikomödie. Denn Meyerhoff, der lange mit den Beziehungen zum anderen Geschlecht gewartet hatte, beginnt nun fast gleichzeitig Affären mit gleich drei sehr unterschiedlichen Frauen. Zunächst mit der hochintelligenten, aber extrem schwierigen Studentin Hanna. Fasziniert ist er sofort von ihrem Aussehen: "Zu große Zähne, zu große Augen, zu platte Nase, verdammt kurze Haare. Sie gefiel mir sofort sehr." Dann wechselt der junge Schauspieler das Engagement, geht nach Dortmund und findet eine weitere Freundin: die langbeinige Balletttänzerin Franka, eine wahre Schönheit. Um sich schließlich noch von der bereits etwas älteren und beleibteren Bäckerin Ilse mit vielen Kuchenteilen verführen zu lassen. Das alles erfordert gewaltiges Organisationstalent, die drei Geliebten sollen sich schließlich nicht begegnen. Meyerhoff bezeichnet sich als den "besten Liebeslogistiker aller Zeiten" - aber auch das ist natürlich Selbstironie, ständig schlittert er an Katastrophen vorbei. Am Ende bringen ihn die drei Frauen an den Rand der totalen Erschöpfung.

In dem Roman erleben wir übrigens auch die ersten Gehversuche des Schriftstellers Meyerhoff. Hanna präsentiert er seine erste Geschichte - und die urteilt hart: "banal", "verklemmt". "Außerdem null Form." Aber manches findet sie "richtig gut". Mit diesem Urteil zumindest hat sie absolut recht.

Joachim Meyerhoff: Die Zweisamkeit der Einzelgänger, Kiepenheuer&Witsch, 352 Seiten, 24 Euro.